Mittwoch, 11. August 2010

Loveparade und "Die Beichte kann warten"

Am Samstag, 7. August 2010, fuhr ich mit der S4 um 6.54 Uhr ab Geltendorf nach München (Ziel: San Giovanni Rotondo, freilich mit dem Flugzeug). In der S-Bahn, die nach Bier und Döner stank, lag auf dem Boden ein Plastikbeutel, dessen Inhalt durch seine Farbenpracht bestach. Ich hob ihn auf und schaute mir den Inhalt an.
Zwei Printmedien (wie das heute heißt) lösten etwas in mir aus:
Erstens: ein Heftchen im DINA5-Format: "flashtimer münchen & bayern". Auf Seite 4 "Intro" der Artikel mit der Überschrift "Betroffenheit": "Geiz, Gier und Abzocke. Die McFit-Parade hat alle belogen... Nun gibt es Tag für Tag in Deutschland 12 Verkehrstote, über tausend Verletzte, und natürlich gehen wir trotzdem auf die Straße. Ebenso wird auch weiter gefeiert..."
Und dann das zweite Medium: "August Programm www.dreituerme.de Jeden Samstag: Sieben Sünden. Die Beichte kann warten! Jede Getränkeeinheit bis 24 Uhr nur 2€: 3 Mädels erhalten bis 23:00 Uhr eine Flasche Prosecco aufs Haus."
"Die Beichte kann warten": das ist genau der Slang der katholisch sozialisierten und evtl. traumatisierten Jugend. Wahrscheinlich sind die Macher dieses Slogans selber katholisch, vielleicht waren sie früher mal Ministranten und sind mittlerweile aus der Kirche ausgetreten.Oder hätte ein Protestant sich so einen Spruch einfallen lassen können? Aber so ein Spruch ist doch cool.
Ja, weil er eben Erinnerungen an eine unglückliche Beichterziehung weckt, die nun endgültig (zumindest in der persönlichen Biographie) überwunden ist, aber leider keine Chance der Transformation erhalten hat.
So ein Spruch klingt übrigens wie ein (säkulares) "Dogma". Gegen kirchliche Dogmen, die der Vernunft nicht widersprechen, rebelliert der Zeitgeist und stellt zum Ersatz säkulare, irrationale Dogmen auf, z.B. "Die Beichte kann warten".
Entschuldigung, sind nur meine Gedanken...

Ich fragte mich:
Was ist, wenn die 19 Tote und die 2 in Folge der Verletzung Verstorbenen nach dem Motto gelebt hatten: "Die Beichte kann warten"?
Was dann?
Pflegen die Besucher von www.dreituerme.de eine Beichtpraxis? Wenn nein, warum dann überhaupt diese "beruhigende" Verheißung, dass die Beichte warten könne.
Haben die Adressaten dieser Veranstaltung überhaupt das Bedürfnis zu beichten?

3 Kommentare:

  1. Danke für diesen Kommentar - es ist wirklich was dran: Die meisten schieben die Beichte (so man überhaupt geht) raus bis zum geht-eigentlich-nicht-mehr-einmal-im-Jahr-mit-Hängen-und-Würgen-gerade-noch-Termin-wenn-überhaupt.

    Da frage ich mich schon: Bin ich bereit, wenn ER kommt - bei Nacht, wenn IHN niemand erwartet?

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  2. Ich mache mir schon seitdem Sie diesen Post veröffentlicht haben Gedanken darüber was Sie mit unglücklicher Beichtpraxis meinen. Nach dem was ich seit nun 6 Jahren (da bin ich konvertiert) erlebe, sind vielleicht die Älteren wirklich von zu strengem Umgang mit der Beichte geschädigt. Meinen Sie das damit? Bei den Jüngeren scheint mir die Beichte mangels Priestern, die ernsthaft dazu aufrufen und sie vor allem auch erklären eher gar keine Möglichkeit zu haben traumatisierend zu wirken. Immer vorausgesetzt, daß ich Sie richtig verstanden habe sollte sich meines Erachtens die katholische Kirche nicht für alles, was Menschen so mit ihrem Leben machen schuldig fühlen. Es scheint mir einfach eine schnodderige Reklame, die einen solchen Spruch benutzt um sich als antiautoritär besser zu vermarkten.

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    1. Liebe Frau Doris, ich beziehe mich auf Ihren Kommentar.
      1. mit "unglücklicher Beichtpraxis" meine ich tatsächlich genau das, was Sie beschreiben.
      2. Bei den Jüngeren ist genau das Gegenteil der Fall, genau das, was Sie beschreiben.
      3. Sie haben mich richtig verstanden.
      4. Diesen Spruch "Die Beichte kann warten" empfand ich als blasphemisch, er ist eine Verhöhnung der Barmherzigkeit Gottes, (Ich bin mir nicht sicher, ob Sie meine Intention verstanden haben.) Gerade deswegen hatte ich mich zu dem Post veranlasst gefühlt. Denn ich bin NICHT der Meinung, dass die Beichte warten kann. Dieser Rat kommt direkt aus der Hölle. Das ist die Sprache des Teufels. Klar?
      Pater Willibrord.

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