Bei der Vigillesung zum Dienstag der 4. Fastenwoche (16. März 2010) fühlte ich mich angesprochen:
"Keine gläubige Hingabe erfreut den Herrn mehr als jene, die sich seinen Armen zuwendet. Überall, wo Gott Fürsorge und Erbarmen sieht, da erkennt er das Bild seiner eigenen Güte."
(Aus einer Fastenpredigt von Papst Leo der Große, gestorben 461.)
Ich frage mich, was genau mich denn da angesprochen habe:
Es gibt eine gläubige Hingabe, also wohl auch eine nicht so ernst gemeinte Hingabe.
Es gibt etwas, womit ich den Herrn erfreuen kann.
Die Armen sind seine Arme.
In meiner/unserer Fürsorge und in meinem/unseren Erbarmen erkennt er das Bild seiner eigenen Güte. Das erinnert mich an Genesis: Wir - sein Bild in der Welt.
Dienstag, 16. März 2010
Montag, 15. März 2010
Juda: Segen und Fluch
Heute in der lectio divina blieb ich hängen bei einem Vers aus Deuteronomium, Kapitel 33. Es war der Vers 7: "Und dies sagte er (Mose) für Juda: Höre, Herr, die Stimme Judas, führ ihn heim zu seinem Volk. Mit eigenen Händen kämpfe er dafür - sei du ihm Hilfe gegen seine Feinde."
Ich stutzte. Vor mir sah ich die bekannten Fotos aus der Zeit des Dritten Reiches: Läden jüdischer Besitzer, beschmiert mit der Parole: "Juda, verrecke!" Unsere Väter hatten sich zu Feinden Judas gemacht. "Sei du ihm Hilfe gegen seine Feinde." Hier wird Gott gebeten, Hilfe gegen die Feinde Judas zu sein. Da kommt mir ein anderer Psalmvers: "Rechne uns die Schuld der Vorfahren nicht an" (Psalm 79,8).
Ich stutzte. Vor mir sah ich die bekannten Fotos aus der Zeit des Dritten Reiches: Läden jüdischer Besitzer, beschmiert mit der Parole: "Juda, verrecke!" Unsere Väter hatten sich zu Feinden Judas gemacht. "Sei du ihm Hilfe gegen seine Feinde." Hier wird Gott gebeten, Hilfe gegen die Feinde Judas zu sein. Da kommt mir ein anderer Psalmvers: "Rechne uns die Schuld der Vorfahren nicht an" (Psalm 79,8).
Labels:
Deuteronomium,
Feinde,
Juda,
lectio divina,
Mose,
Schuld,
Vorfahren
Dienstag, 9. März 2010
Predigt zum Dritten Fastensonntag (7. März 2010)
Predigt
von Pater Willibrord Driever OSB
Missionsbenediktiner von St. Ottilien
am Dritten Fastensonntag (Lesejahr C)
(Klosterkirche St. Ottilien, 7. März 2010)
Liebe Brüder und Schwestern!
Wir gehen auf Ostern zur: das größte Fest unseres Glaubens, Grundlage und Ziel unseres Lebens. Die Kirche lädt uns ein, uns auf diese Feier vorzubereiten und bietet uns heute das Wort Gottes an.
An diesem Sonntag im Lukas-Lesejahr präzisiert die Litugie sehr konkret das Thema Umkehr und Buße – besonders im Hinblick auf die praktische Lebensführung.
Damit entspricht die Liturgie unserem Bedürfnis nach konkreten Weisungen;
sie legt aber auch den Finger auf so manche wunde Stelle.
In der ersten Lesung (Exodus 3,1-15) haben wir von Mose gehört.
In der Wüste macht er eine Gotteserfahrung.
Mose begegnet dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs: Dem Gott, der den Vätern Land und Nachkommenschaft verheißen hatte.
Mose erkennt den Widerspruch zwischen Verheißung und der aktuellen Not der Hebräer in Ägypten.
Und Mose erhält einen Auftrag. Denn Jahwe hat beschlossen, sein Volk aus der Gewalt Ägyptens zu erretten und es herauszuführen in ein gutes und weites Land.
Und dieser Gott nennt auch noch seinen Namen: Jahwe.
Auf Deutsch: Ich bin der, ich bin für euch da.
Mit diesem Namen sagt Gott ein Zweifaches von sich:
Zum einen: „Ich bin über jeden Namen hinaus, und ich kann nicht mit einem Begriff von euch begriffen werden.“
Zum anderen: „Ihr werdet mich in dem erkennen, was ich für euch tun werde. Die Geschichte ist es, in der ich mich offenbaren werde. Und ihr werdet mich in meinem Handeln in der Geschichte erkennen. Z. B. in diesen Tagen und Wochen und Monaten und Jahren in Amerika, in Irland und in Deutschland, da ich die Decke der sündhaften Verdrängung und Vertuschung von der ganzen Kirche wegreiße, um meine Kirche, mein heiliges Volk, zu läutern und zu reinigen und zu erneuern.
Und dabei bediene ich mich der Medien und der manchmal irrationalen und schizophrenen Gesellschaft.
Und bei diesem Werk der Erneuerung habe ich bei meinen Priestern und Ordensleuten begonnen.“
Auf der ganzen Welt und vor der ganzen Welt bekennt heute die Kirche im Tagesgebet: „Gott, unser Vater, du bist der Quell des Erbarmens und der Güte, wir stehen als Sünder vor dir, und unser Gewissen klagt uns an.“
Wir bitten aber auch: „Laß uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.“
Zweite Lesung (1 Kor 10,1-6.10-12)
Bei den Eucharistiefeiern in Korinth scheint es Probleme und Mißständen gegeben zu haben.
Paulus erinnert die Gemeinde an die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Durchzug durch das Rote Meer und der Wüstenwanderung der Vor-Väter.
Das Meer erinnert an die Wasser der Taufe.
Die Wolke ist ein Hinweis auf den Heiligen Geist.
Und das Verhältnis des Volkes zu Mose ist ähnlich wie das Verhältnis der Christen zu Christus.
Paulus will sagen: in diesen Ereignissen aus der Zeit des Alten Testamentes waren Christus und der Heilige Geist am Werk.
Paulus erinnert an das Manna und an das Wasser, das aus dem Felsen hervorquoll.
Er spricht von einer geistlichen Speise und von einem geistlichen Trank und davon, dass Christus dieser Felsen war.
Im Manna und im Wasser sieht er die Eucharistie, so wie er im Durchzug durch das Rote Meer die Taufe gesehen hat.
So wie Christus jetzt die Eucharistie darreicht, so hatte er damals den Hebräern in der Wüste Manna und Wasser gereicht.
Und Paulus erinnert an ein weiteres Ereignis: die Bestrafung Israels in der Wüste. Auch das ist für Paulus ein Vor-Bild, und zwar für die Drohungen, die über der Gemeinde zu Korinth liegen.
Es heißt: „Gott aber hatte an den meisten von ihnen kein Gefallen; denn er ließ sie in der Wüste umkommen.“ Und als innere Begründung heißt es: weil sie sich von der Gier beherrschen ließen.
Was ist damit gemeint?
Obwohl Israel schon in der Wüste so etwas wie Sakramente hatte, ließ es sich dennoch von der Gier beherrschen.
Israel hatte vor dem Anspruch des Sakramentes versagt und gemurrt und wurde deswegen bestraft.
Selbst die vorweggenommene Gegenwart Christi im Alten Bund hat die Vor-Väter nicht vor der Bestrafung bewahrt.
Und genau das wirft Paulus den Korinthern vor und stellt ihnen das Gericht vor Augen:
Wenn die Korinther vor dem Anspruch der Eucharistie versagen und murren, dann werden sie bestraft werden, wie ihre Väter damals in der Wüste.
Was bedeutet das für uns?
Weder Taufe noch Eucharistie können uns das Heil garantieren.
Die Sakramente garantieren nicht das Heil – wenn dem sakramentalen Gnadenangebot Gottes nicht die Freiheit des Empfängers entspricht.
Da gibt es keine Magie und kein Automatismus. Alles bleibt Sache einer freien Begegnung zwischen zwei freien Personen: der Person Gottes und der Person des Empfängers.
In Deutschland haben wir ein Heer von getauften und gefirmten „Heiden“: Menschen, die mit kirchlicher Gutheißung ein sakramentales Ritual durchlaufen haben, aber nicht missioniert und nicht evangelisiert worden sind. Erstkommunion als kindliche Probe für die spätere Hochzeitsfeier und Firmung als religiös aufgemotzte Jugendfeier und als das große Abschiedsfest von der Kirche.
Wenn wir die Sakramente vom Glauben und von einer entsprechenden sittlichen Lebensführung trennen, dann fallen wir zurück in die Mentalität des Wüstenzuges und wir würden denselben Misserfolg erleben, den die Hebräer erlebten.
Hoffentlich liegen am Weg der Geschichte keine Christen, hingerafft wie einst die Hebräer, weil sie die Sakramente zwar empfangen haben, sie aber nicht in ihrem Leben haben wirksam werden lassen.
Das Handeln Gottes ist niemals eine Versicherung.
Und das Heil, das er uns anbietet, ist niemals etwas Automatisches.
Es genügt nicht, die Zeichen seiner Gnade zu empfangen.
Gott fordert von uns auch die personale Antwort des Glaubens und eine ständige Bekehrung und eine entsprechende Lebensführung.
Das machen wir uns bewußt, wenn wir in der Osternacht unser Tauf-Versprechen erneuern.
Das Sakrament ist kein Schlußpunkt, sondern Ausgangspunkt und Anspruch.
Zum Evangelium (Lk 13,1-9)
Im Evangelium knüpft Jesus an zwei zufällige, aber aktuelle Neuigkeiten an.
Er bezieht sich auf zwei – sagen wir – Zeitungsmeldungen:
die Brutalität des römischen Statthalters, der ein Blutbad anrichtete,
und ein Bauunglück, bei dem 18 Menschen umkamen.
Es waren keine Sünder, die ihre sog. gerechte Strafe erlitten.
Sondern Pilger werden beim Opfern im Tempel niedergemacht und unschuldige Bauarbeiter kamen zu Tode – und Gott schweigt. Der Grund der katastrophalen Vorfälle liegt nicht in einer außerordentlichen, persönlichen Schuld der Betroffenen.
Sondern: das sind zunächst mal vorzeitige und plötzliche Todesfälle, die sich bei der Niederwerfung eines Aufstandes und bei einem Bauunglück ereigneten.
Zufällig wurden diese Menschen vom Tod überrascht.
Es hätte auch andere treffen können.
Und Jesus nimmt nun diese zufälligen Ereignisse, diese Neuigkeiten her und kommentiert sie: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle genauso umkommen.“
Vielleicht hätte Jesus heute auf den Tsunami oder auf das Erdbeben in Haiti oder auf einen Verkehrsunfall auf der A 96 hingewiesen und kommentiert: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle genauso umkommen.“
Durch diese Sicht Jesu werden diese Ereignisse zu Zeichen.
Jesus sagt: Mit dem Gericht Gottes wird es genau so sein: es wird plötzlich über alle hereinbrechen, die es am wenigsten erwarten.
Bekehrung, Buße: das bedeutet ganz praktisch: im Lukas-Evangelium: Vergib all jenen, denen du etwas vorzuwerfen hast – solange es noch Zeit dazu ist.
Unmittelbar vor dem heutigen Evangeliums-Abschnitt ruft Jesus zur Versöhnung mit dem Gegner auf.
Darum beten wir heute im Gabengebet, Gott möge uns die Kraft schenken, einander zu vergeben, wenn wir schuldig geworden sind.
Wenn ihr euch nicht bekehrt. – Das ist keine Aufforderung, sich noch schnell für den Abflug ins Jenseits zurecht zu machen und sich passend herzurichten.
Bekehrung, Buße: das bedeutet auch: erstnehmen, dass wir an ein Ende kommen werden, es kann auch mal plötzlich sein.
Wenn ihr euch nicht bekehrt. – Das ist der generelle Aufruf zur Umkehr. Jeder ist angesprochen. Entzieht er sich, dann wird ihn die Katastrophe des Gerichtes ereilen.
Frage: Sind wir fähig, so wie Jesus, die innerweltlichen Ereignisse unserer Zeit ebenso als Zeichen zu deuten: nämlich als Aufrufe zur Umkehr?
Dann bringt Jesus ein Gleichnis. Der Feigenbaum ist unfruchtbar und entzieht den Weinstöcken auch noch die Nährstoffe.
Der Herr des Weinberges trifft eigentlich eine sinnvolle Entscheidung.
Ungewöhnlich ist die Bitte des Weingärtners: Er will einen letzten Versuch machen, um den Feigenbaum vor der Vernichtung zu bewahren.
Aber auch er ist seiner Sache nicht sicher.
Sollte der letzte Versuch fehlschlagen, dann ist das Schicksal des unfruchtbaren Feigenbaums besiegelt.
An dieser Stelle nimmt das Gleichnis noch eine ganz andere Bedeutung an:
Jesus Christus handelt wie der Weingärtner. Jesus tritt für die letzte Frist ein. Und wir erhalten diese.
Auch eine lange, unfruchtbare Vergangenheit hindert Gott nicht, dem Feigenbaum eine Chance zu geben.
Es ist die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters, von der gerade das Lukas-Evangelium ein so starkes Zeugnis ablegt.
Gott kann unsere antwortende Liebe nicht erzwingen.
Er wartet darauf, bis wir fähig werden, in Freiheit unsere Antwort der Liebe zu geben.
Und Gott gibt uns die Kraft, in dieser vergänglichen Welt das unvergängliche Heil zu wirken (vgl. Präfation für die Fastenzeit II)
Gott sei Dank!
von Pater Willibrord Driever OSB
Missionsbenediktiner von St. Ottilien
am Dritten Fastensonntag (Lesejahr C)
(Klosterkirche St. Ottilien, 7. März 2010)
Liebe Brüder und Schwestern!
Wir gehen auf Ostern zur: das größte Fest unseres Glaubens, Grundlage und Ziel unseres Lebens. Die Kirche lädt uns ein, uns auf diese Feier vorzubereiten und bietet uns heute das Wort Gottes an.
An diesem Sonntag im Lukas-Lesejahr präzisiert die Litugie sehr konkret das Thema Umkehr und Buße – besonders im Hinblick auf die praktische Lebensführung.
Damit entspricht die Liturgie unserem Bedürfnis nach konkreten Weisungen;
sie legt aber auch den Finger auf so manche wunde Stelle.
In der ersten Lesung (Exodus 3,1-15) haben wir von Mose gehört.
In der Wüste macht er eine Gotteserfahrung.
Mose begegnet dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs: Dem Gott, der den Vätern Land und Nachkommenschaft verheißen hatte.
Mose erkennt den Widerspruch zwischen Verheißung und der aktuellen Not der Hebräer in Ägypten.
Und Mose erhält einen Auftrag. Denn Jahwe hat beschlossen, sein Volk aus der Gewalt Ägyptens zu erretten und es herauszuführen in ein gutes und weites Land.
Und dieser Gott nennt auch noch seinen Namen: Jahwe.
Auf Deutsch: Ich bin der, ich bin für euch da.
Mit diesem Namen sagt Gott ein Zweifaches von sich:
Zum einen: „Ich bin über jeden Namen hinaus, und ich kann nicht mit einem Begriff von euch begriffen werden.“
Zum anderen: „Ihr werdet mich in dem erkennen, was ich für euch tun werde. Die Geschichte ist es, in der ich mich offenbaren werde. Und ihr werdet mich in meinem Handeln in der Geschichte erkennen. Z. B. in diesen Tagen und Wochen und Monaten und Jahren in Amerika, in Irland und in Deutschland, da ich die Decke der sündhaften Verdrängung und Vertuschung von der ganzen Kirche wegreiße, um meine Kirche, mein heiliges Volk, zu läutern und zu reinigen und zu erneuern.
Und dabei bediene ich mich der Medien und der manchmal irrationalen und schizophrenen Gesellschaft.
Und bei diesem Werk der Erneuerung habe ich bei meinen Priestern und Ordensleuten begonnen.“
Auf der ganzen Welt und vor der ganzen Welt bekennt heute die Kirche im Tagesgebet: „Gott, unser Vater, du bist der Quell des Erbarmens und der Güte, wir stehen als Sünder vor dir, und unser Gewissen klagt uns an.“
Wir bitten aber auch: „Laß uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.“
Zweite Lesung (1 Kor 10,1-6.10-12)
Bei den Eucharistiefeiern in Korinth scheint es Probleme und Mißständen gegeben zu haben.
Paulus erinnert die Gemeinde an die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Durchzug durch das Rote Meer und der Wüstenwanderung der Vor-Väter.
Das Meer erinnert an die Wasser der Taufe.
Die Wolke ist ein Hinweis auf den Heiligen Geist.
Und das Verhältnis des Volkes zu Mose ist ähnlich wie das Verhältnis der Christen zu Christus.
Paulus will sagen: in diesen Ereignissen aus der Zeit des Alten Testamentes waren Christus und der Heilige Geist am Werk.
Paulus erinnert an das Manna und an das Wasser, das aus dem Felsen hervorquoll.
Er spricht von einer geistlichen Speise und von einem geistlichen Trank und davon, dass Christus dieser Felsen war.
Im Manna und im Wasser sieht er die Eucharistie, so wie er im Durchzug durch das Rote Meer die Taufe gesehen hat.
So wie Christus jetzt die Eucharistie darreicht, so hatte er damals den Hebräern in der Wüste Manna und Wasser gereicht.
Und Paulus erinnert an ein weiteres Ereignis: die Bestrafung Israels in der Wüste. Auch das ist für Paulus ein Vor-Bild, und zwar für die Drohungen, die über der Gemeinde zu Korinth liegen.
Es heißt: „Gott aber hatte an den meisten von ihnen kein Gefallen; denn er ließ sie in der Wüste umkommen.“ Und als innere Begründung heißt es: weil sie sich von der Gier beherrschen ließen.
Was ist damit gemeint?
Obwohl Israel schon in der Wüste so etwas wie Sakramente hatte, ließ es sich dennoch von der Gier beherrschen.
Israel hatte vor dem Anspruch des Sakramentes versagt und gemurrt und wurde deswegen bestraft.
Selbst die vorweggenommene Gegenwart Christi im Alten Bund hat die Vor-Väter nicht vor der Bestrafung bewahrt.
Und genau das wirft Paulus den Korinthern vor und stellt ihnen das Gericht vor Augen:
Wenn die Korinther vor dem Anspruch der Eucharistie versagen und murren, dann werden sie bestraft werden, wie ihre Väter damals in der Wüste.
Was bedeutet das für uns?
Weder Taufe noch Eucharistie können uns das Heil garantieren.
Die Sakramente garantieren nicht das Heil – wenn dem sakramentalen Gnadenangebot Gottes nicht die Freiheit des Empfängers entspricht.
Da gibt es keine Magie und kein Automatismus. Alles bleibt Sache einer freien Begegnung zwischen zwei freien Personen: der Person Gottes und der Person des Empfängers.
In Deutschland haben wir ein Heer von getauften und gefirmten „Heiden“: Menschen, die mit kirchlicher Gutheißung ein sakramentales Ritual durchlaufen haben, aber nicht missioniert und nicht evangelisiert worden sind. Erstkommunion als kindliche Probe für die spätere Hochzeitsfeier und Firmung als religiös aufgemotzte Jugendfeier und als das große Abschiedsfest von der Kirche.
Wenn wir die Sakramente vom Glauben und von einer entsprechenden sittlichen Lebensführung trennen, dann fallen wir zurück in die Mentalität des Wüstenzuges und wir würden denselben Misserfolg erleben, den die Hebräer erlebten.
Hoffentlich liegen am Weg der Geschichte keine Christen, hingerafft wie einst die Hebräer, weil sie die Sakramente zwar empfangen haben, sie aber nicht in ihrem Leben haben wirksam werden lassen.
Das Handeln Gottes ist niemals eine Versicherung.
Und das Heil, das er uns anbietet, ist niemals etwas Automatisches.
Es genügt nicht, die Zeichen seiner Gnade zu empfangen.
Gott fordert von uns auch die personale Antwort des Glaubens und eine ständige Bekehrung und eine entsprechende Lebensführung.
Das machen wir uns bewußt, wenn wir in der Osternacht unser Tauf-Versprechen erneuern.
Das Sakrament ist kein Schlußpunkt, sondern Ausgangspunkt und Anspruch.
Zum Evangelium (Lk 13,1-9)
Im Evangelium knüpft Jesus an zwei zufällige, aber aktuelle Neuigkeiten an.
Er bezieht sich auf zwei – sagen wir – Zeitungsmeldungen:
die Brutalität des römischen Statthalters, der ein Blutbad anrichtete,
und ein Bauunglück, bei dem 18 Menschen umkamen.
Es waren keine Sünder, die ihre sog. gerechte Strafe erlitten.
Sondern Pilger werden beim Opfern im Tempel niedergemacht und unschuldige Bauarbeiter kamen zu Tode – und Gott schweigt. Der Grund der katastrophalen Vorfälle liegt nicht in einer außerordentlichen, persönlichen Schuld der Betroffenen.
Sondern: das sind zunächst mal vorzeitige und plötzliche Todesfälle, die sich bei der Niederwerfung eines Aufstandes und bei einem Bauunglück ereigneten.
Zufällig wurden diese Menschen vom Tod überrascht.
Es hätte auch andere treffen können.
Und Jesus nimmt nun diese zufälligen Ereignisse, diese Neuigkeiten her und kommentiert sie: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle genauso umkommen.“
Vielleicht hätte Jesus heute auf den Tsunami oder auf das Erdbeben in Haiti oder auf einen Verkehrsunfall auf der A 96 hingewiesen und kommentiert: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle genauso umkommen.“
Durch diese Sicht Jesu werden diese Ereignisse zu Zeichen.
Jesus sagt: Mit dem Gericht Gottes wird es genau so sein: es wird plötzlich über alle hereinbrechen, die es am wenigsten erwarten.
Bekehrung, Buße: das bedeutet ganz praktisch: im Lukas-Evangelium: Vergib all jenen, denen du etwas vorzuwerfen hast – solange es noch Zeit dazu ist.
Unmittelbar vor dem heutigen Evangeliums-Abschnitt ruft Jesus zur Versöhnung mit dem Gegner auf.
Darum beten wir heute im Gabengebet, Gott möge uns die Kraft schenken, einander zu vergeben, wenn wir schuldig geworden sind.
Wenn ihr euch nicht bekehrt. – Das ist keine Aufforderung, sich noch schnell für den Abflug ins Jenseits zurecht zu machen und sich passend herzurichten.
Bekehrung, Buße: das bedeutet auch: erstnehmen, dass wir an ein Ende kommen werden, es kann auch mal plötzlich sein.
Wenn ihr euch nicht bekehrt. – Das ist der generelle Aufruf zur Umkehr. Jeder ist angesprochen. Entzieht er sich, dann wird ihn die Katastrophe des Gerichtes ereilen.
Frage: Sind wir fähig, so wie Jesus, die innerweltlichen Ereignisse unserer Zeit ebenso als Zeichen zu deuten: nämlich als Aufrufe zur Umkehr?
Dann bringt Jesus ein Gleichnis. Der Feigenbaum ist unfruchtbar und entzieht den Weinstöcken auch noch die Nährstoffe.
Der Herr des Weinberges trifft eigentlich eine sinnvolle Entscheidung.
Ungewöhnlich ist die Bitte des Weingärtners: Er will einen letzten Versuch machen, um den Feigenbaum vor der Vernichtung zu bewahren.
Aber auch er ist seiner Sache nicht sicher.
Sollte der letzte Versuch fehlschlagen, dann ist das Schicksal des unfruchtbaren Feigenbaums besiegelt.
An dieser Stelle nimmt das Gleichnis noch eine ganz andere Bedeutung an:
Jesus Christus handelt wie der Weingärtner. Jesus tritt für die letzte Frist ein. Und wir erhalten diese.
Auch eine lange, unfruchtbare Vergangenheit hindert Gott nicht, dem Feigenbaum eine Chance zu geben.
Es ist die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters, von der gerade das Lukas-Evangelium ein so starkes Zeugnis ablegt.
Gott kann unsere antwortende Liebe nicht erzwingen.
Er wartet darauf, bis wir fähig werden, in Freiheit unsere Antwort der Liebe zu geben.
Und Gott gibt uns die Kraft, in dieser vergänglichen Welt das unvergängliche Heil zu wirken (vgl. Präfation für die Fastenzeit II)
Gott sei Dank!
Donnerstag, 4. März 2010
Missbrauch: Skandal und Erneuerung
Predigt
von Pater Willibrord Driever OSB,
Missionsbenediktiner in St. Ottilien,
in den Eucharistiefeiern am Zweiten Fastensonntag
(Pfarrkirche St. Michael in Abtsgmünd, 27./28. Februar 2010)
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Wenn Sie in diesen Tagen aufmerksam die Tagesschau gesehen haben, dann haben Sie eine Vorstellung von dem Kloster, zu dem ich gehöre und aus dem ich komme: St. Ottilien ist in die Schlagzeilen geraten.
Nicht nur Amerika, nicht nur Irland, nicht nur die Jesuiten in Berlin…, jetzt auch die Benediktiner in Bayern.
Und ich glaube: das ist noch lange nicht das Ende, wir haben noch lange nicht den Abgrund erreicht, es kommt noch schlimmer.
2. Wir können uns dem Phänomen des Missbrauchs unter verschiedenen Aspekten nähern: moraltheologisch, juristisch, aber auch statistisch. Ich möchte Ihnen einige objektive Daten nennen.
Jährlich ca. 19.000 polizeilich gemeldete Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern. 2/3 im sog. sozialen Nah-Raum (Verwandte, Bekannte, Familie, oft durch Vater oder älteren Bruder). SPIEGEL: Knapp 100 Verdachtsfälle von Kindesmißbrauch in katholischen Einrichtungen Deutschlands seit 1995 hat der SPIEGEL zusammengezählt. Der Anteil katholischer Priester und Mitarbeiter (60.000) an der männlichen deutschen Bevölkerung über 21 Jahre (33 Millionen) beträgt knapp zwei Prozent. Verrechnet man die ihnen angelasteten Fälle von Kindesmißbrauch (100) mit den 210.000 deutschlandweit polizeilich gemeldeten Übergriffen seit 1995, beträgt der Anteil der katholischen Täter ganze 0,05 Prozent. Der durchschnittliche deutsche Mann wird mit 36-mal-größerer Wahrscheinlichkeit übergriffig als der katholische Priester.
Allein in Berlin wohnen etwa 10.000 Personen, denen Sexualdelikte aller Art vorgeworfen wurden. Sie machen 0,3 Prozent der Berliner Bevölkerung aus; das bedeutet, dass statistisch ein Angezeigter Sexualstraftäter auf 340 Bürger kommt. Und bei den Angezeigten handelt es sich nicht um Priester.
Soweit die Fakten. Diese statistischen Bemerkungen sollen nicht das Phänomen des Missbrauchs in der Kirche bagatellisieren, sondern nur kontextualisieren.
3. Die Kirche wurde immer geprüft, von außen und von innen. Die härtesten und demütigendsten Prüfungen der Kirche sind immer die, welche aus ihrem Inneren hervorgehen, und das insbesondere dann, wenn einige Männer der Kirche, die durch die Weihe in einen besonderen Dienst hineingenommen sind, in verdammenswerte Handlungen verwickelt sind.
Durch die (global betrachtet) millionenfachen Übergriffe werden Kinderseelen gemordet, wird entsetzliches Leid angerichtet. Das ist besonders schlimm, wenn Priester daran beteiligt sind.
Die Stürme, die die Kirche wegen der Sünden ihrer Mitglieder heimsuchen, können Angst machen. Die schlimmsten Stürme sind die, die den Gläubigen ans Herz gehen, die den Gläubigen den Glauben rauben und die das Vertrauen in Gott untergraben, die die Gläubigen aus der Kirche hinaustreiben.
4. Schauen wir noch einmal in unsere säkulare Umwelt: Angeblich will der Gesetzgeber durch seine Gesetzgebung seit Jahren das Leben schützen; tatsächlich aber wird die Abtreibung immer mehr vereinfacht, und die Zahlen der Abtreibungen nehmen zu. Die Produktion und der Konsum von Pornographie ist legalisiert. Der schulische Aufklärungsunterricht ist mehr eine Verführung zur Unkeuschheit als eine Hilfe, mit der gottgeschenkten Gabe der menschlichen Geschlechtlichkeit in einer menschenwürdigen Weise umzugehen. Das, was Gott Sünde nennt, wird in der Gesellschaft als lebenswert propagiert. Und gleichzeitig entrüstet sich diese Gesellschaft über die Sünden der Priester, die in viel größerem Umfang von Nicht-Priestern begangen wird.
5. Ich bin überzeugt, dass in diesen Wochen viele Katholiken sagen: „Das soll die heilige Kirche sein?!“ – „Mit diesem verrotteten Haufen will ich nichts zu tun haben, ich nehme jetzt endgültig meinen Abschied.“ Das erinnert mich irgendwie an die Pharisäer.
Ich möchte dann fragen: Was suchst du denn? Suchst du eine Kirche der moralisch Perfekten, der Super-Christen? Wo sollte diese Kirche denn sein? Bist du denn moralisch so perfekt, bist du denn ein solcher Super-Christ, dass du in eine solche Kirche hineingehören würdest? Und wenn es eine solche Kirche gäbe: Glaubst du, du würdest da aufgenommen werden?
5. Und die Heiligkeit der Kirche besteht nicht in der moralischen Perfektion ihrer Mitglieder bzw. ihrer Amtsträger. Die Kirche ist nicht deswegen heilig, weil ihre Mitglieder so anständig wären. Heiligkeit der Kirche bedeutet: daß Gott den Menschen in der Taufe heiligt. In der Taufe schenkt Gott dem Menschen seine heiligmachende Gnade (Gnade der Rechtfertigung), indem Gott dem Täufling seine Heiligkeit eingießt, gratis, und ihn solchermaßen heiligt. Die Getauften sind also die durch die Heiligkeit Gottes Geheiligten und als solche bilden sie die Kirche, und das ist die Heiligkeit der Kirche. Das ist die Taufgnade. Und damit ist auch eine Aufgabe gegeben: die Berufung, das ganz normale christliche Leben zu gestalten nach den Weisungen des Evangeliums in den Bereichen, wo Gott sie hingestellt hat. Aber eben aus der Kraft der Taufgnade.
6. Ausgerechnet im Priester-Jahr brechen diese Skandale auf. Hier leuchten mehrere Geheimnisse auf: Das Geheimnis Gottes. Gott erwählt nach seinem Ratschluß, nicht nach äußerem Augenschein oder nach dem, was wir für würdig erachten.
Krasser kann uns das Mysterium des Priestertums nicht vor Augen geführt werden: Gott beruft nicht nach Würdigkeit, sondern gemäß seiner Erwählung. Und das ist Sein Geheimnis. JEDER von Gott zum Priestertum berufene Mann ist unwürdig, es ist Gottes Geheimnis, warum er gerade diese Männer beruft.
Und noch etwas wird deutlich: das Geheimnis Jesu Christi. Der historische Jesus von Nazareth hatte, rein äußerlich betrachtet, auch nichts besonderes an sich. Darum taten sich die Jünger auch so schwer, das gott-menschliche Persongeheimnis Jesu zu begreifen. Im heutigen Evangelium von der Verklärung Jesu wird deutlich, dass in diesem Jesus von Nazareth noch mehr und Anderes ist: nämlich seine Göttlichkeit. Diese hat Gott den Augen der Jünger für einen kurzen Moment aufleuchten lassen.
Und das ist auch das Geheimnis der Kirche: sie hat eine Außen-Ansicht: Ämter, Menschen, Verwaltung, Organisation…, und eine Innen-Sicht: das ist der in der Kraft des Heiligen Geistes in der Kirche fortlebende Christus; das ist die in ihr aufbewahrte Gnade, die Gott der ganzen Menschheit durch die Kirche und ihre Mission und Evangelisierung zudienen will: kurz, ihre Heiligkeit.
Und wir alle verdunkeln durch unsere Sünden die Heiligkeit der Kirche, wir alle verdunkeln durch unsere Sünden das Erscheinungsbild der Kirche in der Welt. Wir müssen alle und immer an unsere Brust schlagen und Gott um Vergebung bitten.
Im Credo bekennen wir: Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Dann sollen wir daran denken, was Heiligkeit bedeutet, und wir sollen Gott danken für die Gnade, zu dieser Kirche gehören zu dürfen.
7. Wir sind in der Fastenzeit, in der österlichen Buß-Zeit, wir gehen auf Ostern zu. DIE Feier von Ostern: das ist die Osternacht, in der wir das Wasser weihen und unser Taufversprechen erneuern. Das soll nicht wieder ein Ritus werden, der an uns vorbeirauscht und der vorüber ist, bevor wir recht begriffen haben, was wir da getan haben.
Bei unserer Taufe waren wir unmündig, damals haben unsere Eltern und Paten für uns den Glauben bekannt und das Taufversprechen abgelegt. In der Osternacht hast du die Gelegenheit, ganz persönlich dein Taufversprechen zu erneuern, zu ratifizieren, deine Unterschrift zu geben. Nur du, ohne Stellvertretung.
Das ist Übergabe deines Lebens an deinen Herrn. Das ist deine Erlaubnis an den Heiligen Geist, in die wirken zu dürfen. Dann kann Christus bzw. der Heilige Geist alle deine natürlichen Fähigkeiten von Selbstbezogenheit reinigen und läutern und in Dienst nehmen, dann brechen deine Charismen auf. Dann wird Kirche lebendig.
Dann begreifen auch die Eheleute, was Ehesakrament bedeutet: dann fangen sie an, gemeinsam zu beten, auch mit den Kindern. Dann werden die Familien zu dem, was das Konzil von den Familien gesagt hat: sie sind „Kirche im kleinen“. Dann werden auch die Familien zu den ersten Priesterseminaren.
Die Christen wünschen sich gute Priester. Wo sollen die denn her kommen? Die fallen doch nicht vom Himmel! Wo wird denn noch in den Gemeinden um Priesterberufe und um deren Heiligung gebetet? Die Berufungen müssen doch aus unseren Gemeinden hervorgehen, die können doch nicht immer von Indien oder aus Polen kommen!
Wir brauchen heilige Ehen, heilige Familien, in denen geistliche Berufungen von den Kindern erkannt werden können, wo die Jugendlichen auf ihrem Berufungsweg bestätigt, ermutigt werden.
8. Ich bin überzeugt: was wir in diesen Wochen erleben ist providentiell. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Gott am Werk ist. Gott ist dabei, seine Kirche zu erneuern. Und das geschieht durch Aufdeckung und Buße. Wie würde es in der Kirche weitergehen, wenn diese Fälle weder in Amerika noch in Irland noch in Deutschland aufgedeckt worden wären! Die Sünde würde weiter schwären am Leib der Kirche. Nun ist Gott dabei, die Decke der Verschwiegenheit von den Sünden runterzureißen; damit die Kirche sich bekehrt und erneuert. Gott erneuert seine Kirche. In diesem Sinne dürfen wir froh darum sein, was jetzt geschieht.
von Pater Willibrord Driever OSB,
Missionsbenediktiner in St. Ottilien,
in den Eucharistiefeiern am Zweiten Fastensonntag
(Pfarrkirche St. Michael in Abtsgmünd, 27./28. Februar 2010)
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Wenn Sie in diesen Tagen aufmerksam die Tagesschau gesehen haben, dann haben Sie eine Vorstellung von dem Kloster, zu dem ich gehöre und aus dem ich komme: St. Ottilien ist in die Schlagzeilen geraten.
Nicht nur Amerika, nicht nur Irland, nicht nur die Jesuiten in Berlin…, jetzt auch die Benediktiner in Bayern.
Und ich glaube: das ist noch lange nicht das Ende, wir haben noch lange nicht den Abgrund erreicht, es kommt noch schlimmer.
2. Wir können uns dem Phänomen des Missbrauchs unter verschiedenen Aspekten nähern: moraltheologisch, juristisch, aber auch statistisch. Ich möchte Ihnen einige objektive Daten nennen.
Jährlich ca. 19.000 polizeilich gemeldete Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern. 2/3 im sog. sozialen Nah-Raum (Verwandte, Bekannte, Familie, oft durch Vater oder älteren Bruder). SPIEGEL: Knapp 100 Verdachtsfälle von Kindesmißbrauch in katholischen Einrichtungen Deutschlands seit 1995 hat der SPIEGEL zusammengezählt. Der Anteil katholischer Priester und Mitarbeiter (60.000) an der männlichen deutschen Bevölkerung über 21 Jahre (33 Millionen) beträgt knapp zwei Prozent. Verrechnet man die ihnen angelasteten Fälle von Kindesmißbrauch (100) mit den 210.000 deutschlandweit polizeilich gemeldeten Übergriffen seit 1995, beträgt der Anteil der katholischen Täter ganze 0,05 Prozent. Der durchschnittliche deutsche Mann wird mit 36-mal-größerer Wahrscheinlichkeit übergriffig als der katholische Priester.
Allein in Berlin wohnen etwa 10.000 Personen, denen Sexualdelikte aller Art vorgeworfen wurden. Sie machen 0,3 Prozent der Berliner Bevölkerung aus; das bedeutet, dass statistisch ein Angezeigter Sexualstraftäter auf 340 Bürger kommt. Und bei den Angezeigten handelt es sich nicht um Priester.
Soweit die Fakten. Diese statistischen Bemerkungen sollen nicht das Phänomen des Missbrauchs in der Kirche bagatellisieren, sondern nur kontextualisieren.
3. Die Kirche wurde immer geprüft, von außen und von innen. Die härtesten und demütigendsten Prüfungen der Kirche sind immer die, welche aus ihrem Inneren hervorgehen, und das insbesondere dann, wenn einige Männer der Kirche, die durch die Weihe in einen besonderen Dienst hineingenommen sind, in verdammenswerte Handlungen verwickelt sind.
Durch die (global betrachtet) millionenfachen Übergriffe werden Kinderseelen gemordet, wird entsetzliches Leid angerichtet. Das ist besonders schlimm, wenn Priester daran beteiligt sind.
Die Stürme, die die Kirche wegen der Sünden ihrer Mitglieder heimsuchen, können Angst machen. Die schlimmsten Stürme sind die, die den Gläubigen ans Herz gehen, die den Gläubigen den Glauben rauben und die das Vertrauen in Gott untergraben, die die Gläubigen aus der Kirche hinaustreiben.
4. Schauen wir noch einmal in unsere säkulare Umwelt: Angeblich will der Gesetzgeber durch seine Gesetzgebung seit Jahren das Leben schützen; tatsächlich aber wird die Abtreibung immer mehr vereinfacht, und die Zahlen der Abtreibungen nehmen zu. Die Produktion und der Konsum von Pornographie ist legalisiert. Der schulische Aufklärungsunterricht ist mehr eine Verführung zur Unkeuschheit als eine Hilfe, mit der gottgeschenkten Gabe der menschlichen Geschlechtlichkeit in einer menschenwürdigen Weise umzugehen. Das, was Gott Sünde nennt, wird in der Gesellschaft als lebenswert propagiert. Und gleichzeitig entrüstet sich diese Gesellschaft über die Sünden der Priester, die in viel größerem Umfang von Nicht-Priestern begangen wird.
5. Ich bin überzeugt, dass in diesen Wochen viele Katholiken sagen: „Das soll die heilige Kirche sein?!“ – „Mit diesem verrotteten Haufen will ich nichts zu tun haben, ich nehme jetzt endgültig meinen Abschied.“ Das erinnert mich irgendwie an die Pharisäer.
Ich möchte dann fragen: Was suchst du denn? Suchst du eine Kirche der moralisch Perfekten, der Super-Christen? Wo sollte diese Kirche denn sein? Bist du denn moralisch so perfekt, bist du denn ein solcher Super-Christ, dass du in eine solche Kirche hineingehören würdest? Und wenn es eine solche Kirche gäbe: Glaubst du, du würdest da aufgenommen werden?
5. Und die Heiligkeit der Kirche besteht nicht in der moralischen Perfektion ihrer Mitglieder bzw. ihrer Amtsträger. Die Kirche ist nicht deswegen heilig, weil ihre Mitglieder so anständig wären. Heiligkeit der Kirche bedeutet: daß Gott den Menschen in der Taufe heiligt. In der Taufe schenkt Gott dem Menschen seine heiligmachende Gnade (Gnade der Rechtfertigung), indem Gott dem Täufling seine Heiligkeit eingießt, gratis, und ihn solchermaßen heiligt. Die Getauften sind also die durch die Heiligkeit Gottes Geheiligten und als solche bilden sie die Kirche, und das ist die Heiligkeit der Kirche. Das ist die Taufgnade. Und damit ist auch eine Aufgabe gegeben: die Berufung, das ganz normale christliche Leben zu gestalten nach den Weisungen des Evangeliums in den Bereichen, wo Gott sie hingestellt hat. Aber eben aus der Kraft der Taufgnade.
6. Ausgerechnet im Priester-Jahr brechen diese Skandale auf. Hier leuchten mehrere Geheimnisse auf: Das Geheimnis Gottes. Gott erwählt nach seinem Ratschluß, nicht nach äußerem Augenschein oder nach dem, was wir für würdig erachten.
Krasser kann uns das Mysterium des Priestertums nicht vor Augen geführt werden: Gott beruft nicht nach Würdigkeit, sondern gemäß seiner Erwählung. Und das ist Sein Geheimnis. JEDER von Gott zum Priestertum berufene Mann ist unwürdig, es ist Gottes Geheimnis, warum er gerade diese Männer beruft.
Und noch etwas wird deutlich: das Geheimnis Jesu Christi. Der historische Jesus von Nazareth hatte, rein äußerlich betrachtet, auch nichts besonderes an sich. Darum taten sich die Jünger auch so schwer, das gott-menschliche Persongeheimnis Jesu zu begreifen. Im heutigen Evangelium von der Verklärung Jesu wird deutlich, dass in diesem Jesus von Nazareth noch mehr und Anderes ist: nämlich seine Göttlichkeit. Diese hat Gott den Augen der Jünger für einen kurzen Moment aufleuchten lassen.
Und das ist auch das Geheimnis der Kirche: sie hat eine Außen-Ansicht: Ämter, Menschen, Verwaltung, Organisation…, und eine Innen-Sicht: das ist der in der Kraft des Heiligen Geistes in der Kirche fortlebende Christus; das ist die in ihr aufbewahrte Gnade, die Gott der ganzen Menschheit durch die Kirche und ihre Mission und Evangelisierung zudienen will: kurz, ihre Heiligkeit.
Und wir alle verdunkeln durch unsere Sünden die Heiligkeit der Kirche, wir alle verdunkeln durch unsere Sünden das Erscheinungsbild der Kirche in der Welt. Wir müssen alle und immer an unsere Brust schlagen und Gott um Vergebung bitten.
Im Credo bekennen wir: Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Dann sollen wir daran denken, was Heiligkeit bedeutet, und wir sollen Gott danken für die Gnade, zu dieser Kirche gehören zu dürfen.
7. Wir sind in der Fastenzeit, in der österlichen Buß-Zeit, wir gehen auf Ostern zu. DIE Feier von Ostern: das ist die Osternacht, in der wir das Wasser weihen und unser Taufversprechen erneuern. Das soll nicht wieder ein Ritus werden, der an uns vorbeirauscht und der vorüber ist, bevor wir recht begriffen haben, was wir da getan haben.
Bei unserer Taufe waren wir unmündig, damals haben unsere Eltern und Paten für uns den Glauben bekannt und das Taufversprechen abgelegt. In der Osternacht hast du die Gelegenheit, ganz persönlich dein Taufversprechen zu erneuern, zu ratifizieren, deine Unterschrift zu geben. Nur du, ohne Stellvertretung.
Das ist Übergabe deines Lebens an deinen Herrn. Das ist deine Erlaubnis an den Heiligen Geist, in die wirken zu dürfen. Dann kann Christus bzw. der Heilige Geist alle deine natürlichen Fähigkeiten von Selbstbezogenheit reinigen und läutern und in Dienst nehmen, dann brechen deine Charismen auf. Dann wird Kirche lebendig.
Dann begreifen auch die Eheleute, was Ehesakrament bedeutet: dann fangen sie an, gemeinsam zu beten, auch mit den Kindern. Dann werden die Familien zu dem, was das Konzil von den Familien gesagt hat: sie sind „Kirche im kleinen“. Dann werden auch die Familien zu den ersten Priesterseminaren.
Die Christen wünschen sich gute Priester. Wo sollen die denn her kommen? Die fallen doch nicht vom Himmel! Wo wird denn noch in den Gemeinden um Priesterberufe und um deren Heiligung gebetet? Die Berufungen müssen doch aus unseren Gemeinden hervorgehen, die können doch nicht immer von Indien oder aus Polen kommen!
Wir brauchen heilige Ehen, heilige Familien, in denen geistliche Berufungen von den Kindern erkannt werden können, wo die Jugendlichen auf ihrem Berufungsweg bestätigt, ermutigt werden.
8. Ich bin überzeugt: was wir in diesen Wochen erleben ist providentiell. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Gott am Werk ist. Gott ist dabei, seine Kirche zu erneuern. Und das geschieht durch Aufdeckung und Buße. Wie würde es in der Kirche weitergehen, wenn diese Fälle weder in Amerika noch in Irland noch in Deutschland aufgedeckt worden wären! Die Sünde würde weiter schwären am Leib der Kirche. Nun ist Gott dabei, die Decke der Verschwiegenheit von den Sünden runterzureißen; damit die Kirche sich bekehrt und erneuert. Gott erneuert seine Kirche. In diesem Sinne dürfen wir froh darum sein, was jetzt geschieht.
Labels:
Berufung,
Eheleute,
Erneuerung,
Familie,
Fastenzeit,
Konzil,
Missbrauch,
Mysterium,
Osternacht,
Priester,
Priester-Jahr,
Sexualdelikte,
Skandale,
Taufe,
Taufgnade,
Taufversprechen
Abonnieren
Posts (Atom)