Dienstag, 9. März 2010

Predigt zum Dritten Fastensonntag (7. März 2010)

Predigt
von Pater Willibrord Driever OSB
Missionsbenediktiner von St. Ottilien
am Dritten Fastensonntag (Lesejahr C)
(Klosterkirche St. Ottilien, 7. März 2010)


Liebe Brüder und Schwestern!

Wir gehen auf Ostern zur: das größte Fest unseres Glaubens, Grundlage und Ziel unseres Lebens. Die Kirche lädt uns ein, uns auf diese Feier vorzubereiten und bietet uns heute das Wort Gottes an.
An diesem Sonntag im Lukas-Lesejahr präzisiert die Litugie sehr konkret das Thema Umkehr und Buße – besonders im Hinblick auf die praktische Lebensführung.
Damit entspricht die Liturgie unserem Bedürfnis nach konkreten Weisungen;
sie legt aber auch den Finger auf so manche wunde Stelle.

In der ersten Lesung (Exodus 3,1-15) haben wir von Mose gehört.
In der Wüste macht er eine Gotteserfahrung.
Mose begegnet dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs: Dem Gott, der den Vätern Land und Nachkommenschaft verheißen hatte.
Mose erkennt den Widerspruch zwischen Verheißung und der aktuellen Not der Hebräer in Ägypten.
Und Mose erhält einen Auftrag. Denn Jahwe hat beschlossen, sein Volk aus der Gewalt Ägyptens zu erretten und es herauszuführen in ein gutes und weites Land.
Und dieser Gott nennt auch noch seinen Namen: Jahwe.
Auf Deutsch: Ich bin der, ich bin für euch da.
Mit diesem Namen sagt Gott ein Zweifaches von sich:
Zum einen: „Ich bin über jeden Namen hinaus, und ich kann nicht mit einem Begriff von euch begriffen werden.“
Zum anderen: „Ihr werdet mich in dem erkennen, was ich für euch tun werde. Die Geschichte ist es, in der ich mich offenbaren werde. Und ihr werdet mich in meinem Handeln in der Geschichte erkennen. Z. B. in diesen Tagen und Wochen und Monaten und Jahren in Amerika, in Irland und in Deutschland, da ich die Decke der sündhaften Verdrängung und Vertuschung von der ganzen Kirche wegreiße, um meine Kirche, mein heiliges Volk, zu läutern und zu reinigen und zu erneuern.
Und dabei bediene ich mich der Medien und der manchmal irrationalen und schizophrenen Gesellschaft.
Und bei diesem Werk der Erneuerung habe ich bei meinen Priestern und Ordensleuten begonnen.“

Auf der ganzen Welt und vor der ganzen Welt bekennt heute die Kirche im Tagesgebet: „Gott, unser Vater, du bist der Quell des Erbarmens und der Güte, wir stehen als Sünder vor dir, und unser Gewissen klagt uns an.“
Wir bitten aber auch: „Laß uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.“

Zweite Lesung (1 Kor 10,1-6.10-12)

Bei den Eucharistiefeiern in Korinth scheint es Probleme und Mißständen gegeben zu haben.
Paulus erinnert die Gemeinde an die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Durchzug durch das Rote Meer und der Wüstenwanderung der Vor-Väter.
Das Meer erinnert an die Wasser der Taufe.
Die Wolke ist ein Hinweis auf den Heiligen Geist.
Und das Verhältnis des Volkes zu Mose ist ähnlich wie das Verhältnis der Christen zu Christus.
Paulus will sagen: in diesen Ereignissen aus der Zeit des Alten Testamentes waren Christus und der Heilige Geist am Werk.
Paulus erinnert an das Manna und an das Wasser, das aus dem Felsen hervorquoll.
Er spricht von einer geistlichen Speise und von einem geistlichen Trank und davon, dass Christus dieser Felsen war.
Im Manna und im Wasser sieht er die Eucharistie, so wie er im Durchzug durch das Rote Meer die Taufe gesehen hat.
So wie Christus jetzt die Eucharistie darreicht, so hatte er damals den Hebräern in der Wüste Manna und Wasser gereicht.
Und Paulus erinnert an ein weiteres Ereignis: die Bestrafung Israels in der Wüste. Auch das ist für Paulus ein Vor-Bild, und zwar für die Drohungen, die über der Gemeinde zu Korinth liegen.
Es heißt: „Gott aber hatte an den meisten von ihnen kein Gefallen; denn er ließ sie in der Wüste umkommen.“ Und als innere Begründung heißt es: weil sie sich von der Gier beherrschen ließen.

Was ist damit gemeint?
Obwohl Israel schon in der Wüste so etwas wie Sakramente hatte, ließ es sich dennoch von der Gier beherrschen.
Israel hatte vor dem Anspruch des Sakramentes versagt und gemurrt und wurde deswegen bestraft.
Selbst die vorweggenommene Gegenwart Christi im Alten Bund hat die Vor-Väter nicht vor der Bestrafung bewahrt.
Und genau das wirft Paulus den Korinthern vor und stellt ihnen das Gericht vor Augen:
Wenn die Korinther vor dem Anspruch der Eucharistie versagen und murren, dann werden sie bestraft werden, wie ihre Väter damals in der Wüste.
Was bedeutet das für uns?
Weder Taufe noch Eucharistie können uns das Heil garantieren.
Die Sakramente garantieren nicht das Heil – wenn dem sakramentalen Gnadenangebot Gottes nicht die Freiheit des Empfängers entspricht.
Da gibt es keine Magie und kein Automatismus. Alles bleibt Sache einer freien Begegnung zwischen zwei freien Personen: der Person Gottes und der Person des Empfängers.

In Deutschland haben wir ein Heer von getauften und gefirmten „Heiden“: Menschen, die mit kirchlicher Gutheißung ein sakramentales Ritual durchlaufen haben, aber nicht missioniert und nicht evangelisiert worden sind. Erstkommunion als kindliche Probe für die spätere Hochzeitsfeier und Firmung als religiös aufgemotzte Jugendfeier und als das große Abschiedsfest von der Kirche.
Wenn wir die Sakramente vom Glauben und von einer entsprechenden sittlichen Lebensführung trennen, dann fallen wir zurück in die Mentalität des Wüstenzuges und wir würden denselben Misserfolg erleben, den die Hebräer erlebten.
Hoffentlich liegen am Weg der Geschichte keine Christen, hingerafft wie einst die Hebräer, weil sie die Sakramente zwar empfangen haben, sie aber nicht in ihrem Leben haben wirksam werden lassen.
Das Handeln Gottes ist niemals eine Versicherung.
Und das Heil, das er uns anbietet, ist niemals etwas Automatisches.
Es genügt nicht, die Zeichen seiner Gnade zu empfangen.
Gott fordert von uns auch die personale Antwort des Glaubens und eine ständige Bekehrung und eine entsprechende Lebensführung.
Das machen wir uns bewußt, wenn wir in der Osternacht unser Tauf-Versprechen erneuern.
Das Sakrament ist kein Schlußpunkt, sondern Ausgangspunkt und Anspruch.

Zum Evangelium (Lk 13,1-9)

Im Evangelium knüpft Jesus an zwei zufällige, aber aktuelle Neuigkeiten an.
Er bezieht sich auf zwei – sagen wir – Zeitungsmeldungen:
die Brutalität des römischen Statthalters, der ein Blutbad anrichtete,
und ein Bauunglück, bei dem 18 Menschen umkamen.
Es waren keine Sünder, die ihre sog. gerechte Strafe erlitten.
Sondern Pilger werden beim Opfern im Tempel niedergemacht und unschuldige Bauarbeiter kamen zu Tode – und Gott schweigt. Der Grund der katastrophalen Vorfälle liegt nicht in einer außerordentlichen, persönlichen Schuld der Betroffenen.
Sondern: das sind zunächst mal vorzeitige und plötzliche Todesfälle, die sich bei der Niederwerfung eines Aufstandes und bei einem Bauunglück ereigneten.
Zufällig wurden diese Menschen vom Tod überrascht.
Es hätte auch andere treffen können.
Und Jesus nimmt nun diese zufälligen Ereignisse, diese Neuigkeiten her und kommentiert sie: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle genauso umkommen.“

Vielleicht hätte Jesus heute auf den Tsunami oder auf das Erdbeben in Haiti oder auf einen Verkehrsunfall auf der A 96 hingewiesen und kommentiert: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle genauso umkommen.“
Durch diese Sicht Jesu werden diese Ereignisse zu Zeichen.
Jesus sagt: Mit dem Gericht Gottes wird es genau so sein: es wird plötzlich über alle hereinbrechen, die es am wenigsten erwarten.
Bekehrung, Buße: das bedeutet ganz praktisch: im Lukas-Evangelium: Vergib all jenen, denen du etwas vorzuwerfen hast – solange es noch Zeit dazu ist.
Unmittelbar vor dem heutigen Evangeliums-Abschnitt ruft Jesus zur Versöhnung mit dem Gegner auf.
Darum beten wir heute im Gabengebet, Gott möge uns die Kraft schenken, einander zu vergeben, wenn wir schuldig geworden sind.
Wenn ihr euch nicht bekehrt. – Das ist keine Aufforderung, sich noch schnell für den Abflug ins Jenseits zurecht zu machen und sich passend herzurichten.
Bekehrung, Buße: das bedeutet auch: erstnehmen, dass wir an ein Ende kommen werden, es kann auch mal plötzlich sein.
Wenn ihr euch nicht bekehrt. – Das ist der generelle Aufruf zur Umkehr. Jeder ist angesprochen. Entzieht er sich, dann wird ihn die Katastrophe des Gerichtes ereilen.

Frage: Sind wir fähig, so wie Jesus, die innerweltlichen Ereignisse unserer Zeit ebenso als Zeichen zu deuten: nämlich als Aufrufe zur Umkehr?

Dann bringt Jesus ein Gleichnis. Der Feigenbaum ist unfruchtbar und entzieht den Weinstöcken auch noch die Nährstoffe.
Der Herr des Weinberges trifft eigentlich eine sinnvolle Entscheidung.
Ungewöhnlich ist die Bitte des Weingärtners: Er will einen letzten Versuch machen, um den Feigenbaum vor der Vernichtung zu bewahren.
Aber auch er ist seiner Sache nicht sicher.
Sollte der letzte Versuch fehlschlagen, dann ist das Schicksal des unfruchtbaren Feigenbaums besiegelt.

An dieser Stelle nimmt das Gleichnis noch eine ganz andere Bedeutung an:
Jesus Christus handelt wie der Weingärtner. Jesus tritt für die letzte Frist ein. Und wir erhalten diese.
Auch eine lange, unfruchtbare Vergangenheit hindert Gott nicht, dem Feigenbaum eine Chance zu geben.
Es ist die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters, von der gerade das Lukas-Evangelium ein so starkes Zeugnis ablegt.
Gott kann unsere antwortende Liebe nicht erzwingen.
Er wartet darauf, bis wir fähig werden, in Freiheit unsere Antwort der Liebe zu geben.
Und Gott gibt uns die Kraft, in dieser vergänglichen Welt das unvergängliche Heil zu wirken (vgl. Präfation für die Fastenzeit II)
Gott sei Dank!

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