Sonntag, 13. Oktober 2019

Der Papst spricht etwas zu oft vom Teufel

1. Der Text

https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/Jan-Heiner-Tueck-Der-Papst-spricht-etwas-zu-oft-vom-Teufel;art312,198935

2. Dazu: Hermeneutische Zwischenrufe

"Der Papst spricht etwas zu oft vom Teufel".
Bemerkungen zu einem Interview
(Pater Dr. Willibrord Driever OSB, St. Ottilien)

Prof. Jan-Heiner Tück warnt in einem Interview mit Regina Einig vor Entlastungsstrategien im Umgang mit der Missbrauchskrise (Die Tagespost vom 13. Juni 2019, Seite 12). Die Bemerkungen dazu folgen dem Verlauf des Textes.

1. Nach Prof. Tück verschiebt der Papst "das Problem von der menschlichen Verantwortung auf die geistliche Ebene", wenn er die sexuelle Gewalt der Kleriker "auf das Wirken des Teufels zurückführt".
Dazu: Wenn der Papst die Ausübung sexueller Gewalt auf das Wirken des Teufels zurückführt, dann ist doch allen klar, was gemeint ist, nämlich 1) dass der Teufel die psycho-emotionalen bzw. die psycho-sexuellen Defizite der Kleriker als "Einfallstore" für seine versucherischen Taktiken benutzt; 2) dass unsere Sünden „die Früchte unserer Zustimmung zur Versuchung“ sind (KKK 2846) und dass deswegen die „Sünde eine persönliche Handlung“ ist (KKK 1868); 3) dass die Kleriker, wenn diese der Versuchung zustimmen und in die Tat umsetzen, für ihr Tun verantwortlich sind. „Jede direkt gewollte Tat ist dem Handelnden anzurechnen“ (KKK 1736). 4) Durch die Nennung des Satans als Urheber der Versuchung wird weder die Freiheit des Handelns, noch die moralische Verantwortung der Täter aufgehoben.

2. Herr Prof. Tück erinnert daran:  "Nicht der Teufel ... steht hier im Raum", sondern die Schuld der Menschen.
Dazu: Der Papst hat nicht das behauptet, was Herr Tück nun glaubt, zurechtrücken zu müssen nach der Methode: erst ein Phantom aufbauen, um es dann zu erledigen.

3. Herr Tück bekennt: "Die Täter als Agenten des Satans hinzustellen, ... wirkt für mich wie eine pontifikale Entlastungsstrategie."
Dazu eine Anfrage: Wann und wo hat der Papst das Konzept „Agenten des Satans“ schriftlich oder mündlich eingeführt? Herr Tück möge bitte die verifizierbare Quelle benennen (Dokument, Predigt, Katechese)! Wenn der Papst das so nicht gesagt haben sollte, dann wäre die Rede von den „Agenten des Satans“ eine professorale Interpretation, eine seltsame neo-mythologische Terminologie, oder vielleicht sogar eine Unterstellung. Solches kann man dem Papst zwar unterstellen, aber damit ist die Wirklichkeit noch nicht zutreffend beschrieben.

4. "Gott ist gut, Satan ist böse - und das Leben der Menschen ist der Kampfplatz der Bewährung."
Dazu: Das kann man nicht einfach als "Sicht des Papstes" abtun und es ihm dann nachsehen, weil seine Sicht "in der geistlichen Tradition und insbesondere in den ignatianischen Exerzitien ihre Wurzeln hat." Das päpstliche Statement ist keine ignatianische Spezialität, sondern dabei handelt es sich um einen neutestamentlichen Topos (Eph 6,10-20; Röm 13,12; 2 Kor 6,7; 10,4; Jak 4,7; 1 Petr 5,8-9; 1 Joh 2,14), der einen Aspekt christlicher Existenz beschreibt. „Die dramatische Situation der ‚ganzen Welt‘, die ‚unter der Gewalt des Bösen‘ steht (1 Joh 5,19), macht das Leben des Menschen zu einem Kampf“ (KKK 409). „Die gesamte Geschichte der Menschen durchzieht nämlich ein hartes Ringen gegen die Mächte der Finsternis, ein Ringen, das schon am Anfang der Welt begann und nach dem Wort des Herrn bis zum letzten Tag andauern wird. In diesen Streit hineingezogen, muß sich der Mensch ständig darum bemühen, dem Guten anzuhangen, und er kann nicht ohne große Anstrengung in sich mit Gottes Gnadenhilfe die Einheit erlangen“ (II. Vatikanisches Konzil, GS 37,2).

5. Tück: "Aber das Problem des Bösen ist geblieben", trotz Aufklärung, Religionskritik und Entmythologisierung. Dafür nennt er vier Beispiele (barbarische Exzesse, Eskalation der Gewalt, Maskeraden der Ideologien, Verbiegung der Wahrheit), er nennt aber nicht den klerikalen Missbrauch.
Dazu: Könnte es nicht sein, dass die in Europa, Afrika und Nord-Amerika aufgedeckten Fälle von Missbrauch (sogar durch Bischöfe) etwas zu tun haben mit der Aktivität des Satans? Ist nicht der klerikale Missbrauch ein überzeugendes Beispiel für „das Problem des Bösen“? „Es gibt nicht nur Hüter und Wächter der menschlichen Hoffnung, sondern auch Neider, Feinde und Verführer, die die Sehnsucht und Hoffnung des Menschen verwirren, gewaltsam niederhalten oder ins Maßlose, ins Dämonische hinein übersteigern; es gibt den Teufel, den Vater der Lüge (vgl. 1 Joh 8,44). Er ist der Versucher, der uns den Himmel vergällen und verstellen will“ (Katholischer Erwachsenen-Katechismus. Das Glaubensbekenntnis der Kirche, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz, 1985, Seite 111).

6. Nach Tück zeigt der Buchtitel Abschied vom Teufel "die Schwierigkeit an, unter modernen Verstehensvoraussetzungen von einer personalen Macht des Bösen zu sprechen."
Dazu: Muss sich die Theologie der Hermeneutik der "modernen Verstehensvoraussetzungen" (welchen?) unterwerfen und ihre eigene Erkenntnis entsprechend limitieren? Vielleicht stimmt etwas mit den "modernen Verstehensvoraussetzungen" nicht. Zur Erinnerung: Die Theologie stützt sich von ihrem Wesen her bei der Erforschung der Wahrheit auf das Merkmal der Kirchlichkeit und auf die Tradition des Gottesvolkes mit ihrer Vielfalt an Wissen und Kulturen in der Einheit des Glaubens (vgl. Fides et Ratio, Nr. 101).

7. Tück: "Ein Irrweg aber wäre es, den Teufel als Erklärungsmuster zu bemühen und konkrete menschliche Freiheitsakte auf 'seine unsichtbare Hand' zurückzuführen." 
Dazu: Hier wird wieder ein Phantom aufgebaut ("Erklärungsmuster"), um es dann abzutun. Aber schauen wir genauer hin: unsere Sünden sind als Zustimmung zur Versuchung und als "konkrete menschliche Freiheitsakte" sehr wohl auf die "unsichtbare Hand" Satans als des Versuchers zurückzuführen, siehe KKK 2846. Gerade darin zeigt sich doch das Mysterium iniquitatis, von dem Tück spricht. „Die Geschichte der Menschheit zeugt von Anfang an von schlimmen Geschehnissen und Unterdrückungen, die infolge eines Mißbrauchs der Freiheit aus dem Herzen des Menschen hervorgingen“ (KKK 1739).

8. Tück: "Wer Menschen als Agenten des Satans hinstellt, droht ihre moralische Verantwortung zu halbieren und sie zu dämonisieren."
Dazu: Der Satz nennt eine Voraussetzung und zwei Folgerungen. Zur Voraussetzung: Dass der Papst Täter als „Agenten des Satans“ hingestellt habe, ist eine bis jetzt unbewiesene Behauptung Tücks. Und nun zur Folge: Ich schlage vor, eine sachliche, moral-theologische Redeweise anzuwenden. Demgemäß haben die Täter dem Versucher ihre Zustimmung gegeben. Die Verantwortung der Täter wird dadurch nicht nur nicht halbiert, sondern bleibt voll erhalten, ohne eine „Dämonisierung“ zu bemühen. Gibt es da ein Problem?

9. Nach Tück sind zunächst „die systemischen Faktoren zu analysieren“, statt „auf die Ebene der Sündentheologie zu gehen“.
Dazu: Könnte es nicht auch so sein, dass die Suche nach den Fehlern im System oder in der Institution nicht nur zu einer Halbierung der persönlichen Schuld führt, sondern eine totale Exkulpierung der geweihten verbrecherischen Täter und eine Dämonisierung des Systems und der Institution zur Folge hat?, wenn schon das Konzept der Dämonisierung bemüht werden muss. 


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