Mittwoch, 12. Mai 2010

Der Teufel und Christi Himmelfahrt

Als ich gestern abend ein wenig im Lektionar blätterte, stieß ich auf die patristische Vigillesung vom Freitag nach Christi Himmelfahrt.

"In wessen Interesse aber kämpfen die irdischen Begierden, wenn nicht in dem des Teufels? Er findet sein Vergnügen daran, die nach dem Himmlischen Strebenden Seelen durch die Genüsse der vergänglichen Güter zu fesseln und von jenem Wohnsitz abzulenken, aus dem er herausgefallen ist. Gegen seine Nachstellungen muß jeder Gläubige weise wachen, damit er seinen Feind gerade durch das, worin er versucht wird, schlagen kann.
Nichts aber, Geliebte, ist stärker gegenüber den Listen des Teufels als barmherzige Güte und freigebige Liebe. Durch sie wird jede Sünde entweder vermieden oder besiegt.
So laßt uns also der Liebe nachjagen, ohne die keine Tugend wertvoll ist" (Leo der Große, gest. 461, Aus einer Predigt zum Festgeheimnis der Himmelfahrt Christi, zit. nach Lektionar zum Stundenbuch II/3, Seite 189).

Mal abgesehen, daß wohl nur - wenn überhaupt - die postmodernen Priester, Diakone, Ordensleute und andere wenige Laien, die das Stundengebet verrichten, mit diesem Text konfroniert werden, so frage ich mich dennoch, wie es wohl einem postmodernen Laien, dem sog. Durchschnitts-Christen, mit einem solchen Text und seinen Aussagen gehen mag.
Das fängt ja schon bei diesem Unwort "Teufel" an, bei dieser literarischen oder literarkritischen oder mythologischen oder psychoanalytischen Chiffre.
Ein Papst aus dem 5. Jahrhundert spricht in seiner Festpredigt - wenn diese überhaupt je so gehalten worden sein sollte und nicht eine literarische Arbeit ist - ganz unbefangen davon; was würde wohl einem Prediger geschehen, der es wagen würde, solche Aussagen in seiner Predigt zu bringen?
Also, der "Teufel" ist doch erledigt. (Welche doppeldeutige Aussage!)
Im 5. Jahrhundert scheint man davon überzeugt gewesen zu sein, daß der Teufel ein Interesse habe. Um welches es sich dabei handelt, erfuhr der Zuhörer im Fortgang der Predigt etwas später.
Sodann wird behaupt, der Teufel habe Vergnügen? Ach! Welches und woran? - Zu fesseln. Wen? Die Seele! - Welche Seele? Jene, die nach dem Himmlischen streben; die anderen Seelen, die das nicht tun, sind wohl nicht (mehr) Objekte seines Interesses. - Und das zweite Interesse: Eben jene Seelen Abzulenken. - Wovon? Von einem Wohnsitz. - Ach! Von welchem und wo soll der denn sein? Vom Himmel, aus dem der Teufel herausgefallen ist.
Und dann soll jeder Gläubige etwas tun. Was denn? Gegen die Nachstellungen des Teufels wachen. - Gegen was? Gegen die Nachstellungen! Was ist das denn? Das sind Verfolgungen, so jedenfalls das Bedeutungswörterbuch (Duden). Wie ist zu wachen? Weise! Also weder hysterisch noch abergläubisch noch bigott noch verleugnend, negierend, verdrängend..., sondern realistisch, eben: weise.
Warum? Wozu? Damit der solchermaßen weise wachende Gläubige den Feind schlagen kann. - Wieso Feind! Es ist doch alles so friedlich, nett und stimmig und passend und gemütlich! Schon, aber wie war das noch: "...die nach dem Himmlischen strebenden Seelen..." Der päpstliche Prediger des 5. Jahrhunderts scheint optimistisch: JEDER Gläubige soll weise den Feind schlagen. - Wodurch soll jeder Gläubige den Feind schlagen? Durch genau das, worin er vom Feind versucht wird.
Und wie geht das am besten? Durch Güte und Liebe, aber nicht gegenüber dem Teufel, sondern gegenüber dem Nächsten.
Und was bewirken Güte und Liebe? Durch unsere Güte und Liebe vermeiden oder besiegen wir UNSERE Sünden.
Sünde, was ist das denn? Könnte es sein, daß das irgendetwas mit Beichte zu tun hat? Aber ich bin mir da nicht sicher, denn im Beichtunterricht habe ich davon nichts gehört, wohl aber davon, daß, wenn ich mal ein Problem habe, ein Beichtgespräch führen könne. Das hab ich schon mal getan, eben über mein Problem gesprochen, aber von Sünde war davon nicht die Rede. - Sünde ist unsere Zustimmung zu den Listen des Teufels.
Schön, daß der Papst noch eine Tip gibt: Der Liebe nachjagen, das ist nicht dasselbe wie: Bock auf Sex haben. Liebe macht Tugend wertvoll, aber davon vielleicht ein anderes Mal...
FROHES FEST!

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