Samstag, 28. Januar 2023

Gedanken zum Tagesgebet des 4. Sonntages im Jahreskreis

 Herr, unser Gott,

du hast uns geschaffen, damit wir dich preisen.

Gib, dass wir dich mit ungeteiltem Herzen anbeten

und die Menschen so lieben, wie du sie liebst.

  • Die Prädikation nennt den Grund unserer Existenz, unseres Daseins. Wer nicht weiss, warum er existiert, findet hier eine Antwort: Du bist überhaupt nur da, damit du deinen Schöpfer den Lobpreis darbringst.
  • Die erste Bitte: Gib, dass wir dich mit UNGETEILTEM Herzen anbeten. Hier könnte so manches gesagt werden: die Anbetung als die - so möchte ich es formulieren - Höchstform des Gebetes im Sinne der Selbstlosigkeit. Denn die meisten Gebete sind Bittgebete für die anderen und für uns, also eigentlich selbstbezogen, wenn nicht: dann sogar egoistisch. Im Lobpreis geht es nicht mehr um uns, wir  sehen von uns ab; aber der Lobpreis kann immer noch um der erlangten Güter willen erfolgen. Aber nicht mehr so in der Anbetung: da geht es nur und total um Gott und um sein Gottsein. Und WIE soll Anbetung geschehen? Gute Frage, hier eine gute Antwort: Mit UNGETEILTEM Herzen. Offensichtlich ist das so schwer, dass wir es ich aus eigener Kraft tun können, darum ja auch die Bitte um das (ungeteilte) ungeteilte, also das (positiv) geeinte Herz. Können wir etwas zum geeinten Herzen beitragen? Der effektivste Beitrag besteht in einer guten Gewissenserforschung. Dazu gibt es Hilfe, z. B. im GL Nr. 600 und 601. Die Gewissenserforschung hieß früher mal "Beichtspiegel", und das dürfte aktuell wohl der unbeliebteste Spiegel sein, in den man hineinschaut, weil man darin so viel Hässliches sieht. Und weil man selten oder nie in diesen Spiegel schaut, hat man dann auch ein geteiltes, krankhaftes Herz mit einem Herzfehler, mit dem man Gott eben nur teilweise lieben kann. So ist das.
  • Die zweite Bitte: Die Menschen so lieben, wie Gott sie liebt? Geht das denn? Dazu muss man wissen, WIE Gott liebt. und wie liebt er? Er liebt göttlich. und wie lieben wir? Wir lieben (nur) menschlich. Und was sollte der Unterschied sein? Der Unterschied wird rasch deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, was es heißt, göttlich zu lieben. Denn das heißt: unbedingt, unbegrenzt lieben, ebenso wie ER selber ist. Gott sagt nicht: "Ich liebe dich dann, wenn du meine Gebote erfüllst." Er sagt auch nicht: "Weil du dies und das getan hast, darum liebe ich dich nicht mehr." So erkennen wir, wie wir lieben: bedingt, begrenzt. Wir machen es so wie Gott: wir lieben, wie wir sind: bedingte und begrenzte Wesen. Frage: Können wir je anders lieben als in menschlicher Weise? Können wir jemals so lieben wie Gott liebt, in göttlicher Weise? Ich kann diese Frage nicht bejahen. Trotzdem betet die Kirche heute in den deutschsprachigen Ländern in dieser Weise. Wie ist das möglich? Das ist deswegen so möglich, weil die lateinische Vorlage aus dem Missale Romanum in dieser Weise ins Deutsche übersetzt worden ist.
  • Lateinisch: Concede nobis, Domine Deus noster ut te tota mente veneremur, et omnes homines rationabili diligamus affectu.
  • Italienisch: Dio grande e misericordioso, concedi a noi tuoi fedeli di adorarti con tutta l'anima e di amare i nostri fratelli nella carità del Cristo. - ... dich anzubeten aus ganzem Herzen und unsere Brüder mit der Liebe zu lieben (amare), mit der Christus uns liebt (caritas). Das ist ja nun auch nicht einfacher. Aber immerhin, denn die Liebe Gottes (caritas Dei, die agape) ist eingegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Römer 5,5).
  • Englisch: Grant us, Lord our God, that we may honor you with all our mind, and love everyone in truth of heart. - Das geht schon eher, aber eben auch nur, wenn man den Zugang zur Wahrheit seines Herzens hat.
  • es geht um "rationabili diligamus affectu". Aus der christlichen Anthropologie wissen wir um die Affekte. Diese sollen die Herrschaft der Vernunft geordnet werden, dann sind es geordnete Affekte. Wenn die Affekte sich der Herrschaft der Vernunft entziehen, dann werden sie zu ungeordneten Affekten. Das kann auch mit der Liebe geschehen: Liebe kann geordnet und ungeordnet sein. Wir lieben geordnet (in rechter Weise), wenn wir Gott über alles lieben. Wir lieben in ungeordneter Weise, wenn wir die Geschöpfe mehr als Gott lieben. Um diesen Aspekt dürfte es bei der Oration gehen. Wenn das alles stimmen sollte, dann würde ich folgenden Vorschlag machen: 
  • Gib, dass wir dich mit ungeteiltem Herzen anbeten und die Menschen in rechter (geordneter) Weise lieben.

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