Matthias Dippel, Pater Pio. Mission der 7 Wege
Eine Einschätzung von Pater Willibrord Driever OSB, St. Ottilien
(1)
Zum Inhalt
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Ich beziehe mich hier in der Analyse nur auf die
„Sieben Wege zum ewigen Leben“, wie sie veröffentlicht sind: https://adorare.ch/ppio7wege.html.
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Die Botschaft des 1. Weges ist im Grunde die
Aufforderung zur täglichen, abendlichen Gewissenserforschung.
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Die Botschaft des 2. Weges ist die Wiederholung der
Aufforderung unseres Herrn im Evangelium zur Vergebung (Mt 6,15.15; 18,35; Lk
6,27.28).
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Die Botschaft des 3. Weges ist identisch mit der
Gerichtsrede des Herrn (Mt 25,31-46). Der Hinweis auf Talente entspricht Mt
25,14-30. „Richtet nicht“ (vgl. Mt 7,1-5). Gott lässt die Sonne aufgehen über
den Gerechten und Ungerechten, vgl. Mt 5,45.
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Das Thema der Selbstverleugnung in der Botschaft des
4. Weges findet sich auch in Mt 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23). Das Thema des
Sich-selbst-verlierens: Mt 16,25; Mk 8,35; Lk 9,24).
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Das Thema der Anfeindungen und Verleumdungen in der
Botschaft des 5. Weges findet sich in Mt 5,10.11; 10,22; 1 Petr 3,14; 1 Petr
4,14).
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Zum Thema der Beeinflussung unseres Lebens durch
unsere Gedanken (Botschaft des 6. Weges) findet sich in Mt 15,19; Mk 7,21; Lk
6,45.
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Botschaft des 7. Weges: Zustand der Welt heute (Doch
wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden? Lk
18,8).
(2)
Anfragen
· An wen richten sich die Botschaften:
an die schon Getauften? Aber diese haben doch schon die Hl. Schrift. An die
Nicht-Christen? Aber warum dann kein Hinweis auf die Hl. Schrift, auf die Kirche,
auf die Sakramente? Bietet Pater Pio hier einen Weg zum Himmel „an der Kirche
vorbei“?
· Im Vorwort heißt es, dieses Buch sei
„ein wahrhaftes Geschenk des Himmels“; „diese Buch ist kein normales und
gewöhnliches Buch. Man kann dieses Buch nicht in einer Buchhandlung kaufen,
denn dieses Buch ist nicht von dieser Welt.“ Das klingt esoterisch, als werde
hier (endlich) eine Geheimlehre offenbart. Es ist – wenn überhaupt – nur
deshalb ein Geschenk des Himmels, weil es die wesentlichen Aussagen des Neuen
Testamentes widergibt, allerdings ohne darauf zu verweisen. In den mir
vorliegenden Text-Passagen ist weder von der Bibel noch vom Neuen Testament die
Rede.
· „Alles göttliche Wissen ruht in euch,
denn nur dann kann das Himmelreich in euch sein. Meine Botschaften an euch
sollen das Wasser sein, um die göttlichen Samenkörner in euch zum Aufgehen zu
bringen…“ (Botschaft des 4. Weges). Dann braucht es keine Mission, keine
Evangelisierung und keine Katechese.
· „Jesus hat euch das geistige Vermögen
hinterlassen, mit dem Himmelreich in Verbindung zu treten“ (5. Weg). Das
klingt, als könnten wir aus uns etwas machen. Zunächst aber ist „der Himmel“
mit uns in Verbindung getreten (Offenbarung Gottes in Jesus Christus), wir
antworten, reagieren.
· „Gebete sind gute, göttliche
Gedanken, die von Herzen kommen, nicht von eurem Verstand.“ Aus dem Herzen –
ja, aber nicht ohne Verstand: Gebet ist nicht unvernünftig, irrational. „Im
Gebet erneuert oder stärkt ihr eure Nabelschnur zwischen Geschöpf und
Schöpfer.“ Das soll Pater Pio gesagt haben? Das ist keine christliche
Gebetslehre. (6 Weg).
· Ein Widerspruch: „Gott könnt ihr nur
in der Stille und in der Einsamkeit finden“ (6. Weg) – Die wichtigste Tat ist
die Nächstenliebe (Kampf um die Seelen). „Dies geschieht aber nicht in der
Abgeschiedenheit und im stillen Gebet“ (7. Weg).
· „Deshalb habe ich dich ausgewählt,
dieses Buch zu schreiben.“ Das klingt wie in der Berufungs-Szene des Apostels
Johannes auf der Insel Patmos (Offb 1). „Bringe dieses Buch unter die Menschen
und lasse meinen Geist aus diesem Buch in euch fließen.“ Wohlgemerkt: der Geist
Pater Pios, nicht der Heilige Geist. „Wer dieses Buch öffnet, dem öffnet sich
der Himmel.“ Diese Bemerkung erinnert an das siebenfach versiegelte Buch der
Offenbarung (Offb 5.6.8). Also, wenn man das Buch von Matthias Dippel kauft,
dann „öffnet sich der Himmel“.
· Und hier irrt der „Pater Pio“ von M.
Dippel sich, wenn er sagt: „Ihr kennt die Worte Jesu: Wachset und mehret euch“.
Die Worte, die „Pater Pio“ zitiert, sind nicht die Worte Jesu, die dann im
Neuen Testament stehen müssten, sondern die Worte des Schöpfer-Gottes, wie sie
im Alten Testament überliefert werden, siehe Genesis 1,22.
(3)
Bewertung
·
Mein Eindruck: bei diesem Buch handelt es sich um eine
Mischung von Passagen aus dem Neuen Testament und von Gedankengut, wie es aus
der esoterischen Literatur bekannt ist.
·
Man „riecht und schmeckt“ die Esoterik.
·
In seinem Buch berichtet Matthias Dippel von vielen
Begebenheiten, in denen er Pater Pio in seinem Leben begegnete. Nach seinen
eigenen Angaben, fuhr er im August 2009 für drei Tage mit dem Zug nach San
Giovanni Rotondo auf einer privaten Pilgerreise, zum Grab des aufgebahrten
Pater Pio. Obwohl sich Tausende von Menschen in langen Schlangen zur Krypta
anstellen, ist Matthias plötzlich mit einem alten Mann allein vor dem Grab und
wird von der Stimme Pater Pios angesprochen: "Ich brauche dich, Matthias.
Hilf mir, viele Seelen zu retten!"
·
Diese Beschreibung klingt sehr fromm und ist so
glaubwürdig wie der Autor glaubwürdig ist. Aber es braucht eine genaue
Untersuchung der behaupteten Ereignisse, um zu einer moralischen Gewissheit
oder wenigstens zu einer großen Wahrscheinlichkeit über die Wirklichkeit des
Ereignisses zu gelangen.
·
Denn jeder kann ähnliches behaupten. Und dazu muß man
nicht einmal nach San Giovanni Rotondo fahren, man kann auch behaupten, dort
gewesen zu sein, ohne dass diese Aussagen mit der Realität korrespondieren. Man
kann auch behaupten, Pater Pio sei daheim in der Pfarrkirche oder im Wohnzimmer
erschienen. Ich sage nicht, dass der Autor die Unwahrheit sagt; sondern ich
sage: 1) dass die Aussagen jene Glaubwürdigkeit haben, welche den Autor
auszeichnet, 2) dass die Aussagen (noch) nicht bewiesen sind.
·
Dass der Autor den „Auftrag“ vor dem Sarg des
Verstorbenen erhält, erhöht die Dramatik, und ist wohl auch der Versuch, die
Geschichte glaubhafter erscheinen zu lassen. Die Anzahl der sieben Weg scheint
eine Angleichung auf die sieben Sendschreiben der Offenbarung (Offb 1-3).
·
Die hier analysierten Texte sind zum größten Teil
(aber nicht immer) widerspruchsfrei zum Dogma (Glauben) und zur Moral der
Kirche.
·
Man muß aber nicht zwingend annehmen, dass die Text
vom Himmel offenbart worden seien, denn dafür sind die Inhalte zu bekannt und zu
allgemein (NT), aber auch zu widersprüchlich.
·
Die Kriterien der Glaubenskongregation:
o
Es steht fest, dass das Ereignis übernatürlich ist.
o
Es steht nicht fest, dass es übernatürlich ist.
o
Es steht fest, dass es nicht übernatürlich ist.
· Jeder kann nun entscheiden, zu
welchem Urteil er gekommen ist.
· Fazit:
A) Der glaubende Mensch, der schon in der Nachfolge Jesu geht, hat
die Heilige Schrift, die Liturgie der Kirche und das sakramentale Leben.
B) Der suchende, noch nicht glaubende Mensch sollte zum NT und zum
KKK greifen.
C)
Der Parvis-Verlag und der Autor mögen daran verdienen; aber eine Lektüre des
Buches lohnt sich nicht, das Geld kann man sich sparen.