Sonntag, 16. August 2020

Predigt 20. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr A (16. August 2020) St. Ottilien

Predigt 20. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr A (16. August 2020) St. Ottilien

Liebe Brüder und Schwestern,

betrachten wir das Wort Gottes, welches die Kirche uns heute vorlegt.

Um die Botschaft dieses Sonntages zu erfassen, müssen wir wissen:

Aus der Perspektive der Juden: wird die ganze Menschheit in zwei Blöcke eingeteilt:

-         Da ist das Volk Israel, das heilige Volk Gottes

-         Und dann der ganze Rest der Menschheit: einfach die anderen, die Völker, die Nationen, die Heiden im Sinne der Nicht-Juden, eben: die Hunde, von denen im Evangelium die Rede ist. Nebenbei: In diesem Sinne gehören wir Christen zu den Heiden.

-         Gott hatte Israel auserwählt, um durch Israel alle anderen Völker und die ganze Menschheit zu retten. Das war die Berufung Israels.

Das ist der Hintergrund der Lesungen dieses Sonntages.

Das Evangelium von heute steht in einem größeren Zusammenhang, in dem Jesus auf die Fragen der Jünger antwortet.

Aber es sind auch die Fragen aus der Gemeinde des Matthäus, für die er sein Evangelium geschrieben hatte.

Die Gemeinde des Matthäus bestand aus Juden, die Jesus als Messias angenommen hatten und Christen geworden waren.

Und diese bekehrten Juden fragten sich nun:

Dürfen auch die Heiden, also die Nicht-Juden, in die christliche Gemeinde aufgenommen werden?

Jesus gibt eine doppelte Antwort:

1.      Er sagt etwas. An einer Stelle im Matthäus-Evangelium sagt er: „Lasst sie, es sind blinde Blindenführer, beide werden in die Grube fallen.“ Das ist schon ein Abschied. Denn Jesus hatte erfahren, dass sein eigenes Volk (Israel), ihn und seine Botschaft ablehnt.

2.      Und er tut etwas: er zog sich zurück in das Gebiet von Tyrus und Sidon, in das heidnische Gebiet. Das ist keine geographische Angabe, sondern eine theologische Ansage.

Jesus wusste um seine primäre Sendung an Israel: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern zu nehmen und es den Hunden hinzuwerfen.“

Aber nachdem er von seinem Volk abgelehnt worden war, überschreitet Jesus die engen Grenzen Israels und wendet sich an die Heiden.

In diesem Licht müssen wir das Wort Jesu verstehen.

1.      Die Ablehnung Jesu durch sein Volk erscheint jetzt noch schuldhafter.

2.      Daneben steht die Frau als Repräsentantin der gläubigen Heiden. Ihre demütige Haltung ist beispielhaft für den Glauben, der rettet. Die heidnische Frau weiß um ihre Erlösungsbedürftigkeit. Und sie weiß, dass sie keinen Anspruch darauf hat. Israel hatte das nicht begriffen.

Damit öffnet Jesus die Türe zu einem evangelischen Universalismus, der so sehr evangelisch, so dass er wieder katholische ist.

Das ist das Thema der zweiten Lesung aus dem Römerbrief: Der universale Heilswille Gottes. Gott will alle Völker retten. Das hatte er schon immer gewollt, und dazu hatte er Israel berufen.

Israel hat seine missionarische Berufung und Sendung für alle Völker nicht erkannt und  das von Gott in Christus angebotene Heil abgelehnt.

Paulus benennt diese Schuld Israels.

Und jetzt setzt die wunderbare Pädagogik Gottes ein:

er wendet die schuldhafte Verweigerung Israels zum Heil für alle Völker.

Das kann auch in unserem kleinen, persönlichen, privaten Leben passieren: Wie Gott unsere Verweigerungen, Fehlentscheidungen, unsere Irrtümer und unseren Ungehorsam in den Dienst des Besseren stellen kann.

Und es geht noch weiter.

Das Heil der Heiden provoziert das Heil der Juden.

Woher nimmt Paulus seine Sicherheit? Er hat zwei Argumente.

1.      Die Treue Gottes, die niemals weniger wird. „Unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt.“ – In dieser Treue Gottes stehen Israel und wir.

2.      Das Erbarmen Gottes. In dieser Lesung kommt viermal das Wort Erbarmen vor.

Das Erbarmen korrespondiert mit dem Ungehorsam, kommt auch viermal vor.

Es scheint so, als provoziere der menschliche Ungehorsam das göttliche Erbarmen.

Brauchen wir kein Erbarmen? Wenn ja: Warum brauchen wir das Erbarmen?

Wir brauchen Erbarmen, weil wir ungehorsam sind.

Worin besteht denn unser Ungehorsam?

Eine Antwort gibt uns die Erste Lesung Jesaja.

Da ist eine Verheißung Gottes für die Fremden, für die Nicht-Juden, also auch für uns:

„Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben…“ Diese sogenannten Fremden, diese von Israel verachteten Heiden, ruft der Herr in seine besondere Nähe.

Dafür nennt der Herrn zwei Bedingungen: ihm dienen und seinen Namen lieben.

1.      da ist die Rede von „meinen Bund halten“, „mein heiliger Berg“, „mein Bethaus“, „mein Altar“, „mein Haus“. Es ist so, als wenn Gott sich geradezu in Erinnerung bringen müsste. Es scheint eine Gottvergessenheit zu geben: persönlich, individuell, gesellschaftlich, in der Rechtsprechung, in der Kultur, politisch, global, vielleicht sogar auch kirchlich. Gottvergessenheit!

Das ist unser Ungehorsam. Unser Nicht-hören auf Gott. Ihn nicht mehr ernstnehmen. Dagegen: Gott bringt sich in Erinnerung. Gott macht sich zum Zielpunkt und zum Mittelpunkt des Individuums und der gesamten Menschheitsgeschichte.

Aber nicht automatisch und nicht despotisch, sondern in Abhängigkeit von unserer Zustimmung.

2.      Seinen Namen lieben. Gott lieben. Wie geht das? Die Antwort gibt Jesus im Johannes-Evangelium: Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es der mich liebt.

Dieses Thema ist schon im Tagesgebet angeklungen.

„was kein Auge geschaut und kein Ohr gehört hat, das hast du denen bereitet, die dich lieben.

Lieben: ein spezifisches und qualifiziertes Lieben.

Gott lieben an erster Stelle, und die Schöpfung und die Geschöpfe lieben an zweiter Stelle: den Gatten, die Gattin, die Kinder, die Eltern…

Gib uns ein Herz, das dich in allem und über alles liebt.“ In allem und über alles lieben.

Wenn wir so lieben: Gott über alles und in allem, dann lieben wir alle und alles in der rechten Weise.

Und niemand kommt zu kurz.

Und wir bekommen mehr als wir ersehen, als wir erahnen und uns vorstellen können.

Das ist doch mal eine gute Nachricht.

Samstag, 1. August 2020

Predigt in Heilig Geist München am 29. Juli 2020 - Hl. Marta

Predigt

Heilige Messe in Heilig-Geist, München

29. Juli 2020, Gedenktag der hl. Marta

 

Lesung 1 Joh 4,7-16

Worin besteht die Liebe?

Darin dass Gott uns geliebt hat.

Was ist das für eine Liebe? Eben göttlich. Dh: nicht menschlich.

Unsere menschliche Liebe: wie wir (begrenzt, bedingt)

Gott unbegrenzt, unbedingt.

Wenn wir das be-greifen, werden wir liebesfähig.

Göttliche Liebe will in uns gott-menschliche Liebe werden.

Nicht irgendeine Tugendübung.

Sie macht unser Tun erst menschlich.

Ohne diese Liebe ist unser Tun – vielleicht sehr eifrig, aber unmenschlich, unchristlich.

Schenkende, helfende, verzeihende Liebe Ist Antwort auf die Liebe Gottes zu uns. – Größe unserer Berufung.

 

 

Evangelium Lk 10,38-42:

Das ist die Geschichte vom Besuch Jesu bei Martha und Maria.

Lukas erzählt in seinem Sondergut von einer Frau namens Marta, die Jesus in ihrem Haus Unterkunft gewährte.

Nur nebenbei kommt die Rede auf Maria, die Schwester der Gastgeberin: sie setzt sich zu Füßen nieder und hört auf sein Wort.

Die Szene springt sofort wieder zurück zu der geschäftigen Maria; sie ist um das leibliche Wohl des Gastes besorgt, und sie beschwert sich bei Jesus über die Untätigkeit ihrer Schwester Maria.

Jesus antwortet nun der Marta und spricht sie direkt an: Dadurch tritt Maria auf der thematischen Ebene in den Mittelpunkt: Sie hat den besseren Teil erwählt, der ihr nicht genommen wird.

Was ist denn dieses „Eine Notwendige“, der „Bessere Teil“?

Es geht um Probleme in der Gemeinde, und diese werden in den Verhaltensweisen der beiden Schwestern dargestellt.

In der Gemeinde des Lukas scheint sich ein geschäftlicher christlicher Aktivismus breitgemacht zu haben.

Möglicherweise will Lukas mit seiner verhaltenen Kritik an der dienenden Marta ein Korrektiv zur Werkfrömmigkeit geben: Der Liebesdienst ist wichtig, aber er darf den Wort-Dienst, das Hören des Worte, nicht verdrängen.

Der Liebesdienst darf uns nicht taub machen für das Hören des Wortes Gottes.

Die Prioritäten waren also in der Gemeinde falsch gesetzt.

Das scheint also scheint nach Lukas das „Eine Notwendige“ zu sein: Der Bessere Teil.

Blicken wir uns noch etwas um im Lukas-Evangelium, ob wir dafür eine Bestätigung finden. Ich werde jetzt einfach die Stellen aus dem Lukas-Evangelium vorlesen, an denen vom Hören des Wortes die Rede ist.

·        Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr!, und tut nicht, was ich sage? (6,46) – Unsere Taten zeigen besser als unsere Reden, was wirklich in uns steckt.

·        Ich will euch zeigen, wem ein Mensch gleicht, der zu mir kommt und meine Worte hört und danach handelt. Er ist wie ein Mann, der ein Haus baute und dabei die Erde tief aushob und das Fundament auf einen Felsen stellte. (6.47.48) – Das Gleichnis vom Hausbau bildet bei Lukas den Abschluß der Feldrede. Beim Bauen kommt alles auf das feste Fundament an, beim Hören des Wortes kommt es auf das Tun an.

·        Wer Ohren hat zum Hören, der höre! (8,8) – Viele Menschen kamen zu Jesus und hörten ihm zu, aber nur wenige hielten bei ihm und seinem Wort aus.

·        Auf guten Boden ist der Same bei denen gefallen, die das Wort mit gutem und aufrichtigem Herzen hören, daran festhalten und durch ihre Ausdauer Frucht bringen. (8,15). – Der Ackerboden kann nichts dafür, dass er gut oder schlecht ist. Aber von uns, den Hörern des Wortes wird verlangt, dass wir „mit gutem und aufrichtigem Herzen“ hören und Frucht bringen.

·        Gebt also acht, dass ihr richtig zuhört! (8,18) – Die Leute in Nazareth haben auch „gehört“, aber in einer solchen Weise, dass sie Jesus ablehnten. Nur wenn wir die Botschaft richtig gehört und in uns aufgenommen haben, können wir sie anderen weitergeben.

·        Meine Mutter und eine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln. (8,21). – Vom Hören des Wortes Gottes war im Gleichnis vom Sämann und in der Auslegung dieses Gleichnisses die Rede. Das rechte Hören, das Festhalten am Wort und das Leben nach dem Wort Jesu – das und nichts anderes führt in seine Nähe. Nicht durch blutmäßige Abstammung wird man Verwandter Jesu. Das müssen seine Blutsverwandten lernen, die aus Nazareth gekommen sind, um ihn zu sehen.

·        Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu (10,39). – Jesus lässt sich bewirten, „aber nur eines ist notwendig“: die Gabe, die er bringt und die er selber ist. Jesus ist Wort: in dem, was er sagt, und in dem, was er tut oder leidet. Dieses Wort hören oder aufnehmen, das ist das eine Notwendige. – Was heißt Lieben? Lieben heißt, aus dem HÖREN des Wortes heraus handeln. Diese Erzählung handelt vom Geheimnis des Redens Jesu und vom Hören des Menschen. Wo gehört wird, kommt es zum rechten Handeln.

·        Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen (11,28). – Wo Jesus spricht und handelt, kommt über die Menschen Gottes Herrschaft und sein Reich. Und der hörende Mensch empfängt eine neue Fähigkeit zur Mitfreude, zur Freiheit am Wort. Das hat die Frau erfahren, die auf einmal nicht mehr schweigen konnte und die Mutter Jesu glücklich preisen musste. Daraufhin stellt Jesus etwas klar:

1. Maria ist nicht deswegen glücklich zu preisen, weil sie die Mutter Jesu ist, sondern weil sie zu denen gehört, „die das Wort Gottes hören und es befolgen“;

2. Maria ist die vollkommene Hörerin des Wortes, aber sie ist nicht die einzige; alle, die das Worte hören und es befolgen, haben Gemeinschaft mit Jesus, und sie alle sind glücklich zu preisen.

So dürfte deutlich geworden sein, was mit dem „Einen Notwendigen“ gemeint ist.

An die Stelle der vielen Sorgen um das Irdische muss die zentrale Sorge um das Reich Gottes treten. Und das Reich Gottes kann man ja nur erlangen durch das Hören auf das Wort Jesu.

Die Herausforderung an mich besteht darin, beides zu sein: Martha und Maria, der im Tätigsein kontemplative Mensch, dessen Arbeit für den Herrn durch ständigen vertrauten Umgang mit ihm belebt wird.

Ist das für mich eine Herausforderung, oder habe ich mich für ein Tätigsein entschieden, welches vorher und nachher von einigen Gebeten eingerahmt ist?

Wie kann ich dann unterscheiden: den Anruf Jesu an mich – von den Anforderungen, die ich an mich stelle und mit denen ich mich eventuell überfordere?

Die Kritik Jesu an Marta:

1.      Marta ist tätig, ohne Betrachtung

2.      Tätig-sein, ohne Gottes-Bezug

3.      Marta will alles selber machen, lässt Gott nicht mehr handeln, lässt keinen Raum für Gott: fehlender Glaube und fehlende Hoffnung, Misstrauen.

4.      Glaube und Hoffnung fehlen, weil die Liebe fehlt

5.      Aktivität anstelle der Liebe

6.      Botschaft an uns: Wachstum in der Liebe, dann wissen wir auch, was wir in Glaube und Hoffnung tun sollen.