Sonntag, 21. November 2010

Paradiesische Zustände durch Herrschaft

Hochfest Christus König
Predigt in der Abteikirche St. Ottilien
Sonntag, 21. November 2010 (Lesejahr C)
Pater Willibrord Driever OSB

Liebe Christen!
Alle Menschen beten, sofern sie sich religiös betätigen: Juden und Christen, Buddhisten und Muslime, also auch Heiden beten.
Wodurch wird unser Beten zu einem christlichen Beten?
Dadurch, dass wir durch Jesus Christus zum Vater beten.
Das kommt zum Ausdruck, wenn wir am Beginn der hl. Messe das jeweilige Tagesgebet abschließen mit einer Formel: „Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.“
Manche Priester verändern diese Formel, unerlaubterweise.
Sie sagen: „Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, deinen Sohn unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und für uns da ist.“
Oder: „der mit dir lebt und liebt“.
Sie vermeiden das Wort „herrschen“. Leider geben diese Priester keine Erklärung dafür ab, warum sie das Wort „herrschen“ vermeiden. So kann man über die Motive ihres Handelns nur spekulieren.
- Vielleicht halten sie das Wort „herrschen“ für unzumutbar für die demokratieverwöhnten Ohren der Christen und Christinnen des 21. Jahrhunderts,
- Vielleicht stört es sie, dass es da einen geben sollte, der als einziger noch herrschen dürfe, der also etwas zu sagen haben sollte,
- Vielleicht haben sie persönlich schlechte Erfahrungen gemacht mit Autoritätspersonen und übertragen nun ihre negativen Erfahrungen auf Christus.
Im Widerstand zum Zeitgeist feiern wir heute die Herrschaft Jesu Christi.
Was ist es also um diese Herrschaft Jesu Christi, die die Kirche heute, am letzten Sonntag des Kirchenjahres, vor aller Welt bekennt?

Jesus Christus war vom Vater berufen, das Volk Gottes zu führen und in diesem Sinne ein echter Führer zu sein.
Die erste Lesung ist wie die Spitze eines Lichtkegels, der sich aus der Dunkelheit und Verworrenheit der Geschichte in die Zukunft hinein weitet und auf Christus gerichtet ist. David wurde als König über Israel gesalbt. Es war ein Königtum nicht ohne Zweideutigkeiten und Untreue. Ein echter, treuer König, ein vollkommener Hirte sollte viel später kommen: lange nach David: der Messias Christus. Er sollte es sein, der auf dem Thron seines Vaters sitzen und ohne Ende herrschen wird.

Seine Herrschaft hat einen zutiefst göttlichen Ursprung. Und er hat die Herrschaft über alles. „Denn in ihm wurde alles erschaffen. Und alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen.“ Das ist das Glaubensbekenntnis aus der zweiten Lesung, aus dem Kolosserbrief.
Christus ist der Erste, weil er zeitlich vor allen anderen ist.
Und er ist das Modell für alle anderen.
Durch ihn und im Blick auf ihn hat der Vater alles geplant und geschaffen.
Christus ist auch der Erstgeborene der Toten.
Und über alle Dinge hat Christus eine absolute Herrschaft.
Alle Werte sind in ihm enthalten und sammeln sich in ihm wie in einem Brennpunkt.
Und alles wird in ihm mit Gott versöhnt.
So klingt es wie in einem Hymnus in diesem Kolosserbrief.

Das sind große Worte und große Geheimnisse. Wir fragen zurück: Wie und wann und warum sollte das denn so geschehen sein?
Dafür gibt es einen klaren Anhaltspunkt, ein geschichtliches Ereignis: nämlich sein Tod am Kreuz und das Vergießen seines Blutes; „Der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“.
Das heißt: die Dinge der Schöpfung, die Menschheit – sie sind nicht etwa deswegen befreit oder sie treten nicht etwa deswegen in das Reich Gottes ein, weil sie eine solche Qualität aus sich heraus schon hätten, oder weil sie einen Anspruch darauf hätten oder weil sie einem inneren Gesetz der Entwicklung gehorchen würden. Nein. Sondern deswegen: weil Jesus durch seinen Tod am Kreuz Frieden gestiftet hat durch sein Blut.
Daraus ergibt sich für uns die Blickrichtung und Zielrichtung unseres Lebens: nämlich das Kreuz Jesu. Bruder Konrad von Parzham hatte das begriffen. Er sagte: Das Kreuz ist mein Buch.

Bei der Bereitung der Gaben werden wir beten: „Er, der für uns gestorben ist, schenke allen Völkern Einheit und Frieden.“ (Gabengebet)
Und in der Präfation verkünden wir: „Als makelloses Lamm und friedenstiftendes Opfer hat er sich dargebracht auf dem Altar des Kreuzes, um das Werk der Erlösung zu vollziehen.“
Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich einem Buch las mit dem Titel: „Zen für Christen“. Dort steht die Anweisung: „Schauen wir nicht auf das Kreuz, auf das, was Leben zerstört, sondern schauen wir auf uns, nach innen.“

Im Evangelium präsentiert Lukas die Königsherrschaft Jesu. Es ist eine Parodie: Jesus wird König der Juden auf dem Thron eines Kreuzes. Es ist die Erinnerung an eine andere Parodie: die im Prätorium des Pontius Pilatus
Jesus tritt seine Königsherrschaft am Kreuz an. Das Kreuz ist der Thron des Messias-Königs. Und damit daran kein Zweifel möglich ist, zitiert Lukas den Kreuzestitel: „Über ihn war eine Tafel angebracht: Das ist der König der Juden“ – als Verhöhnung gemeint, und doch ist es eine so unglaubliche Wahrheit, dass sie schwarz auf weiß für die Augen der gesamten Menschheitsgeschichte festgehalten werden muss.
Das erinnert an eine andere Einsetzung Jesu in sein Messianisches Königsamt: Bei seiner Taufe sprach die Stimme aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“.

Und Lukas fügt noch eine Szene hinzu: „Auch die Soldaten verspotteten ihn: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!“
Die Welt versteht die Titel Jesu und seine Königsherrschaft in ihrem Sinne: eben als äußerliche, politische Größenzuschreibung. Jesus verweigert sich der Erfüllung dieser Konzepte. Er will nicht, daß seine Königsherrschaft ihm von außen zugeschrieben wird, wenn er wie ein Zauberer auftritt und seinem Schicksal entkommt. Jesus hat sich auch geweigert, aus Steinen Brot zu zaubern.
Sondern er will sein Königtum gerade darin zweigen, daß er in seinem Los aushält und dem Vater darin seine Treue bewahrt.

Nach dem Alten Testament, muß die Inthronisation von zwei Personen bezeugt werden: bei der Verklärung Jesu waren es Mose und Elija. Bei der Auferstehung Jesu und bei seiner Himmelfahrt waren es zwei Engel. Und bei seiner Inthronisation auf Golgotha waren es auch zwei Zeugen: zwei Verbrecher.
Lukas will damit zeigen, wie Jesus seine Königsherrschaft versteht: nämlich für alle Menschen, auch über seine Feinde. Und seine Königsherrschaft besteht darin, dass er allen Menschen die Vergebung anbietet. Der erste Adam hatte durch die Sünde des Mißtrauens Gott gegenüber das Paradies verloren. Christus ist der neue Adam: er hilft der ganzen Menschheit, in das verlorene Paradies wieder einzutreten.
Das wird uns nur gelingen, wenn wir die Vergebung Gottes auch annehmen.
Jesus schafft eine neue Menschheit: befreit von der Entfremdung durch die Sünde. Er eröffnet dem reuigen Schächer die Möglichkeit, an dieser neuen Menschheit im Paradies teilzuhaben. Die Vergebungsbereitschaft Jesu ist grenzenlos, und wir setzen dieser grenzenlosen Vergebungsbereitschaft Jesu Grenzen, wenn wir die Vergebung nicht annehmen – wie sie der andere Schächer nicht angenommen hat.
Das also ist die Art und Weise, wie Jesus Christus herrscht. Und diese Herrschaft ist die einzige, der wir uns angstfrei unterwerfen und ausliefern können.

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